"Cut & go" – es klingt kurz und knackig, schnell und simpel. Materialien werden getrennt, zerteilt, zerschnitten. Auf den ersten Blick einfach, banal und alltäglich. Addieren sich im künstlerischen Arbeitsprozess zu diesen scheinbar simplen Verfahrensweisen verschiedene Arbeitsmaterialien und individuelle Techniken des Trennens, Teilens und Zerteilens hinzu, ergibt sich ein unüberschaubar weites Spektrum.
Wie gehen Künstlerinnen und Künstler mit den entstehenden Materialteilen, den Leerstellen und Brüchen um? Was geschieht mit den Schnittstellen und -teilen? Werden sie neu kombiniert, zusammengefügt und transformiert oder werden sie lediglich zu Resten, ja sogar zu Abfall? Hinterlassen sie Lücken? Oder bilden gerade diese Leerstellen das eigentliche Werk?

Die Ausstellung „cut & go“ vereint künstlerische Arbeiten auf Papier, mixed-media, performative Herangehensweisen, Skulptur und installative Beiträge. Präsentiert werden Kunstwerke, die sich durch Teilen, Schneiden und Trennen im weitesten Sinne auszeichnen. Das zentrale Interesse der Ausstellung liegt auf den unterschiedlichen Herangehensweisen der einzelnen KünstlerInnen, ihrer künstlerischen Haltung und ihren individuellen inhaltlichen Fragestellungen. Konzeptionelle Positionen, die trotz oder gerade wegen der Verwendung von trennenden Gestaltungsmitteln auf ihrer inhaltlichen Ebene auch eine politische oder gesellschaftskritische Dimension erreichen können. Denn jeder Schnitt hinterlässt nicht nur auf der materiellen Ebene Brüche, Lücken und Leerräume, sondern wirft Fragen nach individueller und gesellschaftlicher Vergangenheit und Zukunft auf.

Begleitprogramm zur Ausstellung:

  • Samstag, 27.08.2016 von 16-22 Uhr Programm zum Hafenspaziergang:
    16 Uhr Kuratorenführung mit Anett Frontzek
    16–17:30 Uhr Kinderaktion „Schere dich drum“
    ab 16 Uhr nyak 11 – Showcase zum Hafenspaziergang
  • Donnerstag 15.09.2016 – Sonntag, 25.09.2016:
    Präsentation der Workshopergebnisse von "cut & play", dem ausstellungsbegleitendem Workshop für Kinder und Jugendliche
  • Sonntag, 25.09.2016 um 16 Uhr: Kuratorenführung & Finissage

Eröffnung

Petra Johanna Barfs

„Das Ausgangsmaterial für die Collagen finde ich z.B. in hochwertigen Bildbänden oder als Drucke und Landkarten, die ich in Antiquariaten, auf Antikmärkten und in Archiven erwerbe. Für mich ist der direkte Zugang zum Buch, zur Abbildung wichtig. Ich muss das Papier in der Hand fühlen und sehen, bevor ich entscheide, ob ich das „Abbild“ verwenden kann oder nicht. Dabei durchstreife ich die unterschiedlichsten Epochen der Buchdruckkunst. Mein Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Darstellung der Landschaft, der Natur und den Menschen, die in ihr leben. Für mich ist es ein Sich-Erinnern und ein Neuordnen des Materials, das sich mit der persönlichen Fragestellung nach der Bedeutung und dem Einfluss des Vergangenen auf die heutige Zeit verbindet.
Es ist für mich wichtig, das vorgefundene Material möglichst unverändert wiederzugeben und dann mit einem konzentrierten Riss zu zerteilen, um anschließend das nun vorliegende Bruchstück durch das Hinzufügen einer Fotokopie von der Abbildung zu ergänzen. Diese dabei entstandene Collage verstehe ich als radikalste Form, Leben und Kultur aus der Vergangenheit zu reflektieren und sie in die Jetztzeit zu transformieren.“ (Petra Johanna Barfs)

www.petrabarfs.de

Regula Dettwiler

Regula Dettwiler setzt verschiedene künstlerische Methoden ein, um den Strategien und Repräsentationsformen naturalisierter Künstlichkeit auf die Spur zu kommen. Wenn sie Blätter von exotischen Zimmerpflanzen mit Spitzenbordüren einfasst, entstehen Porträts, die Ausdruck unserer eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse sind. Und auch die herbarisierten Pflanzenblätter sind derart manipuliert, dass sie als „Rorschach-Bilder“ auf eine tiefenpsychologische Dimension verweisen und die „Natur als Projektionsfläche menschlicher Sehnsüchte und Ängste“ zu erkennen geben. Regula Dettwiler überführt die vermeintliche „Natur“ in Kunst, indem sie Abstraktionsverfahren der klassischen Moderne umkehrt und in ihrer Serie „Herbarium No.1 – Drawn from Matisse“ seine Abstraktionen in Form von lasercut-bearbeiteten Blättern darstellt, um Kunst als ein Fundstück aus der Natur zu präsentieren. (Andrea Jahn aus: NACH DER NATUR, Stadtgalerie Saarbrücken, 2014)

www.reguladettwiler.com

Andrea Pesendorfer

Malen durch Fäden ziehen – Bilder in Bewegung
„Die Ursprünge dieses Strangs meiner künstlerischen Arbeit liegen in einem Malereidiskurs, der sich mit den essentiellen Bestandteilen der Malerei auseinander setzte. In meinen frühen Arbeiten machte ich den Bildträger, die Leinwand selbst, zum Bild. Durch Heraus- und/oder Verziehen der Fäden entstanden Linien, Transparenzen, Leerstellen, Durchblicke und Verschie­bungen. Mein Interesse galt dem dahinter Liegenden, dem Untergrund, dem Bloßlegen, dem Minuswachstum ...
Bei den bewegten Bildern wird dieses Prinzip angewandt und weiterentwickelt. Der Stoff, die weitergeführte Leinwand, ist vom Rahmen gelöst. Die losen Fäden lassen Bewegung zu und je nach Luftzirkulation entsteht eine sich fortsetzende Wellenbewegung. Schon geringste Luftströme, etwa durch Bewegung der Menschen im Raum, oder durch leicht differierende Lufttempe­ratur hervorgerufen, werden sichtbar. Die Bilder bekommen dadurch eine ganz besondere Präsenz. Sie werden wesenhaft. Es ist skulptural – im klassischen Sinn. Durch Wegnehmen vom vorhandenen Material entsteht eine neue Gestalt(ung).“

www.andreapesendorfer.at

Katja Pfeiffer

Katja Pfeiffers Arbeiten gehen der Frage nach, wie der Mensch sich seine Welt baut. Basierend auf Eindrücken realer Architektur kreiert sie skurril und fragil anmutende Konstrukte und hinterfragt so die Vorstellung einer planvoll geordneten Weltgestaltung.
In ihren jüngsten Arbeiten setzt sie sich mit provisorischen Befestigungen moderner Ruinen auseinander, wofür Erkundungsgänge in der italienischen Stadt L’Aquila den Anstoß gaben. In der Folge des Erdbebens von 2009 wurde die stark beschädigte Architektur des Stadtkerns nur notdürftig durch Behelfsbauten gesichert – ein Provisorium, das über Jahre hinweg fortbestehen und so zum „Providurium“ werden sollte.
Die teils bizarr anmutenden Konstruktionen inspirierten Pfeiffer zu Reliefs und Installationen, die das Flickwerk gestalterisch in den Fokus rücken. Idealtypisch kommt das Interesse am Fragmentarischen in der Installation „Treppe" zum Ausdruck: Ein ausgemusterter Treppenabsatz ruht auf einem labil anmutenden Unterbau aus gestapelten Holzbalken und -latten. Ihrer eigentlichen Funktion beraubt, wird die alte Holztreppe zur Skulptur; ihre Stufen führen ins Nichts. (Barbara Martin)

www.katjapfeiffer.com

Hansjörg Schneider

Schnitt und Riss spielen bei der Werkreihe „Global Ground“ eine zentrale Rolle: Beim Einschneiden in den kräftigen Karton und beim kontrollierten Abreißen von Papieroberflächen. Der Gegensatz zwischen glatten und grob faserigen Partien erzeugt ein landschaftsähnliches Relief. Trockenes Pigment wird in das Papier eingerieben und ruft den Eindruck von Wasser, Land oder roher Erde hervor.
Die Motive zeigen Ausschnitte urbaner Infrastruktur in globalen Metropolen. Doch unterscheiden sie sich grundsätzlich von den medialen Satellitenbildern, auf denen sie basieren, indem sie diesen Landschaften Fremdartigkeit und Materialität zurückgeben. So sehr sich diese Ansichten auf reale Orte beziehen, erscheinen sie doch irreal, fiktional und subjektiv. Sie nähren einen subtilen Zweifel, der den Glauben an eine lückenlose und jederzeit verfügbare Erfassung der Wirklichkeit erschüttert.

www.hansjoerg-schneider.de

Holger Stark

Holger Starks Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Installation und Fotografie, obgleich sich der Künstler weder als klassischer Fotograf noch als Bildhauer versteht. „Ich suche nicht, ich finde.“ Die Auswahl selbst als eigentlichen künstlerischen Akt anzunehmen, zumindest bei seiner fotografischen Bildfindung, läge bei dem Zitat nahe.
Holger Stark findet jedoch auch für seine Installationen und installativen Eingriffe räumliche und historische Bezüge, die seine Interventionen in einen Kontext zum gewählten Ort und zu seiner Historie setzen. Für eine konkrete Raumsituation erdacht und konzipiert, platziert und realisiert er seine, meist hölzernen Installationen - präzise und sensibel austariert. Die künstlerische Arbeit trennt oder strukturiert den sie umgebenden Raum, steht mit ihm in Beziehung, durchdringt ihn und erschafft somit nicht nur einen realen, sondern auch einen gedanklichen Raum.
Holger Stark wird im Künstlerhaus Dortmund, das 1924 als Waschkaue und Betriebsgebäude für Schacht Westfalia erbaut wurde, eine Installation für die Ausstellung entwickeln.

www.holger-stark.com

Ella Ziegler

Ella Ziegler hat kein Atelier. Ihr Aktionsraum kann sich in der Stadt, in einer Polizeistation, auf einer Verkehrsinsel oder in unserer Vorstellung befinden. Wahrnehmung, Beobachtung und Untersuchung der Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen ihres Lebens bilden die Ausgangspunkte ihrer künstlerischen Arbeiten, deren tagebuchartiges, selektives Erfassen ihrer Umgebung mit dem öffentlichen Raum eine komplexe Schnittmenge bildet. Für sie sind solche Momente zentral, aus denen heraus ein Netzwerk eines vielschichtigen Beziehungsgefüges von Ursache und Wirkung, öffentlich und privat, kollektiv und individuell entsteht.
Ella Ziegler eignet sich die Skulptur, die für sie der öffentliche Raum ist, an. Hierbei bedient sie sich oft ganz unscheinbarer Ein- bzw. Übergriffe. Sie stellt Kunstwerke her, die weder zeitlich noch räumlich zu fassen sind. Jede ihrer Arbeiten ist Teil einer andauernden Praxis, mehr als ein Konzept und mehr als ein Prozess. In vorhandene Konstellationen und Abläufe speist Ella Ziegler ihre eigenen erzählerischen Episoden ein, sie produziert und sammelt Belege dafür, dass die Grenzen zwischen dem Wahrscheinlichen und dem Unwahrscheinlichen jederzeit überschritten werden können. Damit findet ein punktueller Austausch statt zwischen dem, wie es ist und seiner Aufhebung: Ein Spiel mit den Potentialen des Utopischen.

www.ella-ziegler.de