Das Künstlerhaus Dortmund organisiert in der Regel ausschließlich thematische Gruppenausstellungen. Ein vorgegebenes Thema, bzw. ein formaler, medialer oder inhaltlicher Rahmen fasst verschiedene Werke zusammen, um übergreifende Gemeinsamkeiten aufzudecken. Der inszenierte Dialog zwischen den einzelnen Arbeiten steht dabei im Vordergrund; er lädt zum Vergleichen der Einzelpositionen ein, damit sie im Zusammenhang scheinbar verständlicher werden. Dieses Konzept ist jedoch insofern fragwürdig, als dabei die autonome Wirkung einzelner Werke relativiert wird. Tatsächlich sind die verschiedenen künstlerischen Beiträge jeweils unabhängig und frei entstanden. Sie sind nicht für eine solche Zusammen- und Gegenüberstellung bzw. aufgrund einer vorgegebenen Aufgabenstellung entwickelt worden. Der Versuch einer sinnvollen Einordnung in ein verbindendes Ausstellungskonzept kann also den Blick auf die jeweilige Eigenständigkeit verstellen. "Eigensinn" thematisiert diesmal besonders die Autonomie der verschiedenen künstlerischen Zielsetzungen und Arbeitsweisen. Die Arbeiten basieren auf ihren eigenen Regeln. Die Auseinandersetzung mit den Intentionen der Künstler und ihren einzelnen Werken sollte in der direkten Begegnung separat stattfinden können.

Eröffnung

Eva Chytilek

Eva Chytilek reflektiert in ihrer Arbeit den eigenen Schaffensprozess und die Interaktion ihres Körpers mit den Dingen, um Einblick in eine autonome, innere Logik ihrer Ideen- und Formfindung zu geben. Ähnlichkeiten werden dabei nicht als Gegebenes aufgefasst, sondern werden vielmehr zum Instrumentarium für eine Formensprache, die sich der Koordinaten des Raumes, der Möglichkeiten des Körpers und der Bedingungen der Medien gleichermaßen bedient. Zu den markantesten Veränderungen unserer Zeit gehört das zunehmende Verschwinden des Körpers, dessen physische Präsenz scheinbar nicht mehr unmittelbare Bedingung für Arbeitsprozesse und Informationsaustausch ist. Aus festgeschriebenen Dingen mit all ihnen zugeschriebenen Attributen entstehen fragile Objektzustände, die wirken, als ob etwas im Moment, in seiner Mutation angehalten wurde. In diesem Zustand evozieren die Objekte die potentielle Möglichkeit ihres Andersseins.

www.evachytilek.com

Peter Dobroschke

In der Zweikanalinstallation "Étude à Deux" sieht man die Hände des Künstlers beim Zeichnen. Es werden - mit der Linken und der Rechten synchron - alle Spiegel aus dem eigenen Besitz portraitiert.
Die Ansicht wird auf zwei Kameras aufgeteilt: Ein Bildschirm präsentiert die Linke, einer die Rechte. Ein Spiegelstreifen ist senkrecht auf die Mitte des Blattes gestellt und verdeckt jeweils einen Großteil der benachbarten Hand sowie die gesamte benachbarte Papierhälfte. In der Mitte der Aufnahme schafft er somit absolute Symmetrie. Der Versatz von linker und rechter Hand wird in den nicht verdeckten Randbereich oberhalb der weißen Spiegelkante verlagert, wo er wie ein Übertragungsfehler des Monitors erscheint. Die Ergebnisse auf beiden Bildschirmen unterscheiden sich deutlich und animieren den Betrachter zu ständigem Vergleich.
Optische Täuschungen wie auch ironisches Hinterfragen allgemeiner  Betrachtungsgewohnheiten finden sich in Dobroschkes Werken immer wieder. Ein durch Fehl- und Rückschritte gesäumter Atelieralltag bleibt in vielen seiner Arbeiten sichtbar, wobei der Entstehungsprozess selbst als wesentliches Konzentrat des Schaffens im finalen Fokus steht. Das Scheitern - in oben genanntem Video die Differenz der Zeichnungen von links und rechts - wird durch den eingeschobenen Spiegel offen sichtbar korrigiert. Es steht somit ein Richtig neben einem anderen Richtig.

www.peterdobroschke.de

Erich Füllgrabe

Die »Relationale Feldforschung« begann für Erich Füllgrabe 1962. Ausgehend von Malerei und Collage erweiterte er sein Forschungsfeld auf die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen visueller Wahrnehmung und verbalem Verstehen. Seit den späten 90er Jahren des letzten Jahrhunderts arbeitet er im Bereich der artifiziellen Nullforschung und entwickelt Installationen, Darstellungen, Rekonstruktionen und Modelle von Messeinrichtungen. In diesen werden Kunstsprache und Wissenschaftssprache miteinander verschränkt und unerwartete Definitionen sowohl für Kunst-, als auch für Wissenschaftsverstehen formuliert, um Möglichkeiten eines anderen Zugriffs auf Realität zur Diskussion zu stellen.

www.gmdf.de

Paul Hempt

Von der Fotografie kommend entwickelte Paul Hempt zusehends einen
assoziativ, objektbezogenen Ansatz, der bisher seinen Ausdruck in
raumgreifenden Installationen fand. Diese zum Teil technisch ausgeklügelten Installationen und Apparaturen deuten auf die kleinen feinen und doch essentiellen Bausteine der uns umgebenden Welt hin. In Hempts Werk koexistiert Faszination und Zweifel - staunend hinterfragt er unsere unmittelbare und vermeintlich vollständig ergründete Umgebung. Zunehmend ihren räumlichen Begrenzungen entraubt, stellen Hempts Wegweisern und Orientierungshilfen entlehnten Installationen zuletzt in freier Natur selbst wieder Eck-und Vermessungspunkte menschlicher Zivilisation dar. Er studierte an der Fachhochschule Salzburg und der Kunstakademie Düsseldorf und schloss im Februar 2017 als Meisterschüler von Prof. Andreas Gursky ab. (E. Friedrich)

www.hempt.at

Michael Johansson

Michael Johansson beschäftigt sich mit gewöhnlichen Dingen, die wir alle kennen, aber in einer Weise, die ganz und gar nicht gewöhnlich ist. Sein Plan ist, die Welt zu verdichten. Dazu verwandelt er die Objekte in Quader, die präzise gestapelt, eine Verbindung zu einem bestimmten Ort erhalten, an dem ihr ursprünglicher Zweck zum Katalysator für neue Bedeutungen wird. Veraltete Gegenstände, deren Farben im selben Bereich liegen, werden durch unsere kollektive Imagination in ein einheitliches Bild eines fiktiven Lebens verwandelt: die komprimierte Szenerie einer vergangenen Zeit. Oder der extrem ordentlich gepackte Lagerraum, in dem jedes Objekt als unveränderlicher Teil des massiven Ganzen erscheint. Die neu gefundene, starre Ordnung separiert die Objekte von ihrem Gebrauch und lädt uns ein in einen gemeinschaftlichen Raum, in dem das Gewöhnliche auf das Ungewöhnliche trifft.

www.michaeljohansson.com

Charlotte Mumm

(…) Konsequent ertastet sie die Zwischenräume von Material, Form und Darstellung, und sie befragt bewusst die Beziehung zwischen begrifflicher Setzung und assoziativen Vorstellungen. Alle ihre lesbaren Motive sind eng verwoben mit abstrakten Strukturen, Farbverläufen oder Spuren, in denen das bildnerische Material an sich ein Eigenleben entfalten kann. Gleichzeitig trifft die distanzierte Rationalität von Zeichen oder Piktogrammen auf die gefühlsmäßige und unmittelbare manuelle Behandlung des Materials. Für Charlotte Mumm sind solche durchaus widersprüchlichen Wahrnehmungen ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit. Widersprüche und Paradoxien werden bei ihr weder gegeneinander ausgespielt noch zu neutralisieren versucht. Vielmehr dienen sie als Möglichkeit, den Blick offen zu halten sowie die Eindeutigkeit von Bildern und Begriffen nachhaltig infrage zu stellen. (...)
(Auszug aus ‚Zwischen Kopf und Bauch’ von Thomas Niemeyer, Leiter der Städtischen Galerie Nordhorn)

www.charlottemumm.com

Julia Oschatz

Im Zentrum der Arbeiten von Julia Oschatz steht jeweils eine Figur mit eigentümlicher Maske aus diversen Materialien wie zum Beispiel Pappe, Holz oder Schaumstoff, die den Kopf verdeckt und zugleich erweitert. Als einziger Darsteller in Zeichnungen, Malereien oder Videos vollzieht die Figur durch den aktiven Umgang mit diesen Kopfaufsätzen slapstickartige Handlungen, die vom tragikkomischen Fortkommen und Scheitern menschlichen Bemühens handeln. Im Stocken der Abläufe vollzieht sich eine Zwiesprache von Mensch und Ding, Kunstfigur und Erfindung, Vision und Wirklichkeit. Dabei gelingt es Oschatz, die innere Beziehung zu den Gesetzen der äußeren Welt, wie auch umgekehrt das Einwirken der äußeren Welt auf den Menschen zu verhandeln und sichtbar zu machen. (Ute Stuffer, Kunstverein Hannover, 2016)

www.juliaoschatz.com