In den meisten Kontexten vermitteln Bilder konkrete Informationen über das Abgebildete und erzeugen dadurch Wissen und Verständnis beim Betrachter. Diese Funktion des Bildes wird häufig mit einer Kongruenz von Bild und Wirklichkeit gleichgesetzt, die es aber so nicht gibt. Bilder prägen die Einsichten, welche sie darstellen, immer auch konstruktiv, zeigen sich im Stil der Zeit und lassen Raum für Deutung. Diese Uneindeutigkeit des Bildes eröffnet Spielraum für künstlerische Prozesse und neugierige Erforschung bildimmanenter Formen.
Mit unterschiedlichen Mitteln widmen sich die KünstlerInnen der Erschließung der sie umgebenden Welt und deren Repräsentationsmechanismen. Der neugierige und beobachtende Blick zeigt sich dabei nicht nur in formalen Aspekten, sondern gerade in der Verknüpfung mit inhaltlichen und historischen Bezügen, die eine komplexe Wissenswelt eröffnen.
In der Ausstellung "Ohne Netz und doppelten Boden" sind Werke und Werkgruppen verschiedener KünstlerInnen zusammengeführt, die eben jene Konstruktion von Wirklichkeit durch Bilder und deren Präsentation verhandeln. Denn nicht nur das Bild als solches, sondern auch die Art und Weise der Präsentation dient zur Veranschaulichung kausaler Zusammenhänge und ist somit sinnstiftend.
Die Ausstellung zeigt Anordnungen aus Bildern und Objekten, die sich auf der Schnittstelle zwischen Realität und Fiktion bewegen, die Wirklichkeiten behaupten und als künstlerische Konstruktionen illusionistisch und autonom erscheinen. Die Uneindeutigkeit der Werke lässt dabei eine Vielzahl von Möglichkeiten gleichberechtigt nebeneinander existieren. Hier wird nicht die eine Wahrheit zu Gunsten einer anderen aufgegeben, sondern vielmehr im Sinne des Relativismus die Möglichkeit multipler Wahrheiten in eine visuelle Formensprache übersetzt.

Eröffnung

Sebastian Bartel

Sebastian Bartel beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit den konstitutiven Aspekten und immanenten Eigenheiten des Bildes. Er thematisiert die Produktion, Präsentation und Rezeption von Bildern, indem er sich mit ihren Erscheinungsformen, Abhängigkeiten und Wechselwirkungen auseinandersetzt.  Als Ausgangspunkt seiner aktuellen Arbeiten nutzt der Künstler Bildmaterial aus wissenschaftlichen Kontexten. (Bianca Strauß)

www.sebastianbartel.com

Christof John

Christof Johns Malerei lotet zwischen informeller und geometrischer Abstraktion die Aspekte non- verbaler Gedanken- und Stimmungsräume aus. Alltägliche Beobachtungen geben den Start und Impuls seiner Arbeit. Die von opaken bis leichten Farbauftrag geprägten Kompositionen erzeugen eine kontemplative Konzentration.

christofjohn.de

Katharina Maderthaner

"(...) Die Werke von Katharina Maderthaner, ob zwei- oder dreidimensional, entwickeln sich nach einer Zweitakt-Logik: erst synthetisieren, dann sublimieren. Formen, Texturen, Muster und Oberflächen, die die Künstlerin in ihrer Umwelt vorfindet, werden zunächst reduziert, verdichtet und eingekocht bis zum Mark. Baumärkte, Kleingartensiedlungen, selbstgebastelte Internetseiten und laienhaft gestaltete Flyer sind unter anderem ihre Inspirationsquellen. Dieser visuelle Zierrat wird in einer zweiten Phase mit Elementen der minimalistischen Skulptur oder der abstrakten Grafik angereichert – wobei es sich eher um Codes von Codes des Minimalismus handelt – und erfährt eine erneute Verfremdung. Jenseits aller dekonstruktivistischen Ansprüche oder postmodernen Attitüden stehen Maderthaners Werke ernsthaft und autonom da, mit einer irritierenden Selbstverständlichkeit. (...)" (Dr. Emmanuel Mir, 2014, Auszug aus dem Text „Aus dem Strom“)

www.katharinamaderthaner.com

Christoph Westermeier

Aus einem Gespräch zwischen dem Künstler Christoph Westermeier und der Kritikerin Christina Irrgang für die Zeitschrift „Kuba Paris“, Ausgabe Zwei, 2015:
CW: Postkarten, genauso wie Kunstbücher sind der offensichtlichste Umgang mit unserem kulturellen Erbe, mit unserer eigenen Geschichte – und ihrer Verbreitung! Ich finde die Geschichte der Reproduktion von Kunstwerken total faszinierend und spannend. Schon seit der Anfertigung von Stichen gibt es in der Reproduktion eine gewisse Form der Interpretationsfreiheit. Was ist interessanter: das Original, oder die Reproduktion? Die Skulptur, oder ihr Abguss? Ich denke an Winkelmann und die Überlegung, dass im Abguss einer Plastik, oder auch in Erweiterung dessen in der Reproduktion eines Bildes, die reine Idee (über die Geschichte hinaus) sichtbar wird.
Heute haben wir statt einer fotografischen Aufnahme von beispielsweise einer Skulptur hunderte Ansichten, die fast schon eine Rundumansicht erlauben. Auf der einen Seite haben wir bei Walter Benjamin gelesen, dass sich die Aura verändert mit der technischen Reproduzierbarkeit. Aber ist sie wirklich zerstört, oder ist sie nicht sogar stärker geworden?
Warum gibt es auf einmal diesen Drang, die Mona Lisa im Louvre "live" zu sehen, in einer Zeit, wo sowieso jeder weiß, wie sie aussieht, wo sie allgegenwärtig ist und als Gesicht für Lotto Toto wirbt? Es gibt immer wieder Schlüsselbilder, die solch einen Drang auslösen.
Liegt in der digitalen Bilderflut ein Drang, etwas Originales zu sehen?
CI: Es ist eine Form der Vergegenwärtigung, die künstliche Welt des Bildes zu übersteigen, wenn nicht gar auszusteigen – um mit der eigenen Bildbestandsaufnahme wieder einzusteigen. Die Allgegenwärtigkeit eines Motives erzeugt eine Scheinplastizität, und darauf baut wieder der Wunsch des real Plastischen auf. Ein Wunsch nach Körper, statt nach reiner Ansicht.
CW: Aber verändert sich nicht auch der Zugang zu dem Bild? Ich denke, indem wir uns einer ständigen Bilderflut am Computer aussetzen, haben wir einen stärkeren Bezug zum Original.
CI: ...auch, um wieder einen Standpunkt einnehmen zu können und sich zu positionieren. Eine Geste gegen das Virtuelle.

www.christophwestermeier.de

Juliane Henrich

Screening am 17. März ab 17:30 Uhr:

schleifen (6 min,  4K, Juliane Henrich, Deutschland 2014)
Was ist es, das eine Stelle zum Ort werden lässt? Alte Dörfer werden geschleift, also abgetragen. An anderer Stelle werden sie neu aufgebaut und die Bewohner dorthin umgesiedelt. Die neuen Häuser erinnern nicht an die alten, Kirchen und historische Gebäude finden sich im neuen Ort nicht wieder. Nur die Friedhöfe werden verlegt und die Straßennamen bleiben erhalten – immer mit dem Hinweis "neu“. In langsamen Fahrten durch alte und neue Siedlungen verschränkt der Film Ansichten von etwas, das "Heimat“ sein könnte.

Aus westlichen Richtungen (61 min, 4K, Juliane Henrich, Deutschland 2016)
Der Filmessay Aus westlichen Richtungen geht von der kindlichen Frage aus, was "den Westen" mehr sein lässt, als eine Himmelsrichtung. Und legt dann Spuren davon frei, wie er sich als Gesellschaftsmodell in die bundesrepublikanische Nachkriegsgeschichte und -architektur eingeschrieben hat. Lange Schwenks durch nicht verortbare westdeutsche Stadtansichten wechseln ab mit Innenaufnahmen eines Hauses im Prozess der Auflösung. In Fahrten über Autobahnen, Vorortstraßen und Industriegebiete werden die Schauplätze von Zersiedlung und autogerechter Stadt durchquert – zum Takt einer abstrakt-harmonischen Musik, die auf den Grundtönen der Tagesschau-Melodie basiert.