‚Kielwasser’ meint die Fahrspur, die sich hinter einem fahrenden Schiff durch die Schraubenbewegungen bildet. Wer bildlich gesprochen in jemandes Kielwasser segelt oder schwimmt, schließt sich dessen Vorgehensweisen und Ansichten an, weil er von ihnen überzeugt ist, davon profitiert und weniger Widerstände zu überwinden hat.
Der Titel „Im Kielwasser“ spielt sowohl mit seiner Funktion als Metapher als auch mit der geografischen Verortung des Kooperationspartners.

Eröffnung

Joanna Binge–Jastrzebska

Ute Diez (in Zusammenarbeit mit Robin Romanski)

„Mit dieser Gemeinschaftsarbeit setzen Ute Diez und Robin Romanski den Künstler in die Tradition des mittellosen Außenseiters der Gesellschaft. Es steht nicht das Modell des Erfolgskünstlers im Zentrum, die mit ihren Arbeiten hohe Marktpreise erzielen und die uns mittlerweile fast täglich auf den Celebrity-Seiten von diversen Lifestyle-Zeitschriften als Mittelpunkt einer Party- und Kulturszene präsentiert werden. Kunstschaffende werden hier als Individuen verstanden, die es zu integrieren gilt, mit Hilfe eines Regelzeichens, das von seinem realen Vorbild lediglich durch die Hintergrundfarbe abweicht, laut Textschild angeordnet durch eine Instanz, die real nicht existiert. Dass diese Anordnung dennoch befolgt wird, zeigen die Aktionen, bei denen Ute Diez und Robin Romanski das `Verkehrsschild’ an unterschiedlichen Parkplätzen aufgestellt haben, mit dem Ergebnis, dass diese dann auch frei bleiben. Gleichzeitig stellt sich hierdurch jedoch auch die Frage nach dem Sinn und Zweck dieser ‚Integrationsmaßnahme’, zeigt doch die Tatsache, dass der Parkplatz auch von Künstlern gar nicht genutzt wurde, dass es eines solchen Parkplatzes offensichtlich nicht bedarf.“ (Peter Kruska im Katalog: Stadtgalerie Kiel – Einblicke in die Sammlung, 2013)

Rainer Gröschl

Mit den auf den ersten Blick harmonischen zarten Zeichnungen mit Bleistift, Tusche und Tee bezieht sich Rainer Gröschl auf Situationen, die wir alle gerne aus dem Alltag ausblenden. Diese ist zum Beispiel das Thema Streumunition, das in der abgebildeten Zeichnung fragil und spielerisch dargestellt einen krassen Gegensatz zur realen Gefahr des Abgebildeten bildet. Diese Diskrepanz soll zur kritischen Auseinandersetzung aufrufen.

Nina Heidemann

Man taucht ein in einen Raum voller bedruckter Blätter, man fühlt sich an Wäscheleinen, weiße Fahnen, leichtes Flattern im Wind erinnert. Man bahnt sich seinen Weg durch die begehbare Installation aus Fotografien und Texten. Man verweilt vor den Texten und wenn man die Bilder aus der Nähe betrachtet, verschwinden Information und Botschaft. Ein grobes Druckraster bleibt übrig. Die Fotos entstammen einer Kiste voller Familienfotos, die die Künstlerin auf dem Flohmarkt erstanden hat. Der Fund dokumentiert mehrere Jahrzehnte des Lebens einer Kapitänsfamilie aus Schleswig-Holstein. Die Familienaufnahmen werden durch fiktive Tagebucheinträge und Gedankengänge aus der Sicht der daheim gebliebenen Ehefrau ergänzt. Sie bringen die Bilder auf diese Weise in einen neuen Sinnzusammenhang. Die Geschichte stellt die beiden spannungsreichen Extreme im Leben der Kapitänsfamilie gegenüber: Der Familienvater ist weit weg auf hoher See oder aber auf Heimaturlaub bei der Familie.

Zuzana Hlinakova

Die Installation aus geschnittenen Findlingen ist ein „Gezeitengarten“. Ähnlich einem Japanischen Garten, versinnbildlicht die Anordnung der Steine im Raum den Blick auf das Leben. So wie ein Garten die Funktion hat, Verbindung zwischen der Architektur und der umliegenden Landschaft zu sein, versinnbildlicht auch diese Installation diesen Aspekt: Verbindung zwischen Architektur und Landschaft. Zeit: das kommen und gehen, auftauchen und Verschwinden. Die kosmischen Kräfte: Die Gezeiten sind periodische Wasserbewegungen der Ozeane.  Angetrieben durch die Gezeitenkräfte.Ein Haiku aus Stein: Einem Haiku ähnlich, werden die Steine in der Schwebe gehalten, zwischen kommen und gehen. Ein Moment. Die Steine: Sie kommen aus den Kiesgruben Schleswig-Holsteins. Der Findling verkörpert die Landschaft und Kreisläufe der Natur. Der Stein ist ein Teil der Landschaft, Steine prägen das Landschaftsbild, und nehmen Bezug auf die Erdgeschichte. Auch diese Steine sind einen langen Weggegangen, von der Entstehung bis hin zu dem Ort, wo sie in der Eiszeit transportiert wurden. Ihre Form ist das Resultat dieses Tatbestandes. Durch ihre organische Form verkörpern sie das Lebendige.

Corinna Kraus-Naujeck

Mein bevorzugtes Thema ist die Darstellung der Umgebung, ihrer Form, Veränderlichkeit, Verwandlung und Überlagerung durch Zeit, Licht, Farbe. Durch Beobachten des nahe Liegenden ergeben sich die Arbeitstechniken: Lineare Akzente schaffen Klarheit und Konzentration. Mehrschichtigkeit erreiche ich durch Verwenden von verschiedenen Materialien übereinander, z.B. bemalte Seekarten, Transparent und Fundstücke. So sammle ich, verwandele, bedrucke, zeichne, vereinfache, entfremde, belebe, trenne und nähe wieder zusammen.

Anka Landtau

Als direktes Bezugsobjekt steht die Fernrohre. Einerseits, weil sie die Ferne, in die die Schiffe zu fahren aufgebrochen sind, in ihrem Namen tragen, andererseits, weil sie den Fokus auf die Besonderheiten zu richten hatten. Alles, was in der Weite des Meeres auftauchte, war eine Botschaft: Gefährliche Klippen, jagdbare Seetiere, andere Boote, Freund oder Feind und natürlich das Ufer, die angestrebten oder zu meidenden Gestade. Das waren die „Dinge an sich“ der Seefahrt. Das Meer gehört zu den kollektiven Metaphern für das Verbindende und das Trennende, für Einheit von Tod und Leben.
Mit dem Fernrohr kann das Einzelne betrachtet werden. Das große Schicksal und das individuell Greifbare, das Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Konkretion finden in dem Gebrauch des Fernrohres eine eigene Ausdrucksform.

Kerstin Mempel

In meinen Arbeiten interessiert mich die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Ort an dem ich mich aufhalte. Ich zeichne und male direkt vor Ort, dadurch habe ich die Möglichkeit konkreter Bezug zu nehmen, zu sortieren und zu reduzieren. Anders als beim Foto, kann ich mit der Zeichnung das Gesehene stärker aussortieren und für mich Wesentliche herausfiltern und weiterführen.

Anke Müffelmann

Als Mutter dreier Töchter und als Tochter einer Mutter, die 1943 mit ihrer Mutter aus dem „Osten“ nach Norddeutschland floh, ist mein Leben stark an die Reflektion von Frau und Muttersein geknüpft. Mich interessieren dabei die Widersprüchlichkeiten im klaren Selbst-Bewusst-Sein des Weiblichen und die gesellschaftliche Realität von tief sitzenden Rollenklischees.
Aus der Keramik kommend beschäftigt sich Anke Müffelmann naturgemäß mit Gefäßen und ihren kulturell aufgeladenen Bedeutungen. Dabei verlässt sie den Bereich der Gebrauchskeramik und schafft Objekte, deren tradierte Symbolik sie im Kontext der Gegenwart zu neuen Gleichnissen verwandelt. Interkulturalität spielt in ihrer Arbeit eine besondere Rolle: in den Formen und Ritualen der Fremde wird das eigene Unerklärliche sichtbar.

Birgit Saupe

Birgit Saupe setzt sich mit dem Verhältnis zwischen Menschen, Maschinen, Tiere und deren Kreuzung im Grenzbereich von Biologie und Mythen auseinander. Dem Ausgeliefertsein des Lebewesens an Maschinen, an technischen Apparaturen kommt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle zu. Birgit Saupe schildert in eindrücklichen Szenarien ihre beklemmden Vorstellungen, ohne sie zu bewerten.
1940 (Operationstisch),  basiert auf ein 1940 in der Sowjetunion durchgeführtes Experiment mittels einer Maschine, die Blutzirkulation und die Herz- und Lungenfunktion  eines verstorbenen Tieres zu aktivieren.

Elke Schweigart

Ausgehend von beobachteten Landschaftsformen extrahiere ich im Atelier die für mich bedeutsamen Formen und Eigenschaften und setze sie in Bilder um. Die isländische Landschaft, die ich im letzten Jahr intensiv studiert habe, ist hierbei prägend. Tusche und Papier bieten mir das geeignete Arbeitsmittel für die reduzierte, lineare Darstellung der Landschaft.
Die flächige Darstellung erfolgt durch lasierende bis deckende Malerei, häufig in der Farbe Weiß, oder mit Hilfe des Linoldrucks. Hierbei schneide ich die Form aus dem Linoleum aus und drucke sie komplett auf den Bildträger.
Bei der Malerei und beim Linoldruck arbeite ich auf Holz. Das Holz ist nicht grundiert, die Materialität ist somit Teil des Bildes.

Chili M. Seitz

Mit diesem provokanten Titel, der nichts weniger sagt als: eigne Dir Deine eigene Sicht an,  oder:  besitze Deine eigene Sicht, interveniert die Arbeit von Chili Seitz in drei Räumen: dem öffentlichen, dem world_wide_web und dem Galerie- bzw. Museumsraum.
„Und dieser eine Augenblick
Bleibt mein gedanklicher Besitz
Den kriegt der Himmel nicht zurück“

Im Öffentlichen Raum Berlins sind 12 Parkbänke mit einem Messingschild versehen auf dem zu lesen ist: „own your own view – ein Kunstprojekt von Chili Seitz.“ Durch dieses Messingschild wird die Parkbank zum zentralen Punkt des eigenen „Augen-Blicks“. In der Mitte der Bank sitzend, wird ein Blick auf die Umgebung frei, vergleichbar mit dem auf ein Gemälde, eine Zeichnung oder eine Fotografie. Es wird ein Ort markiert, von dem aus ein Blick genossen werden kann, der, sobald man ihn unter einem Bildcharakter betrachtet, eine völlig neue Bedeutung bekommt. Der eigene Blick auf eine Sache, eine Landschaft, auf sich selbst oder andere ist individuell, immer anders und nicht kopierbar. Er ist immateriell, flüchtig und nur für den Blickenden existent, für das Gegenüber ist er nicht vorhanden, allein erahnbar und schon gar nicht erwerbbar. Sogar dem eigentlichen Besitzer des Blickes ist es verwehrt ihn festzuhalten.
Die Arbeit „own your own view“ setzt sich über dieses Gesetz hinweg und erklärt den individuellen Blick zum Denkmal. Die Arbeit ist somit Teil des von der Künstlerin gegründeten Archivs der immateriellen Denkmäler. Sammeln, Gegenüberstellen und neue Zusammenhänge herstellen, das ist eine Strategie welche Chili Seitz in immer wieder neuen Untersuchungen anwendet. Archive sind oft ein zentraler Ausgangspunkt aus welchem sie schöpft oder Arbeiten auch dorthin wieder zurückführt. Die Rollen der Frau, heute wie damals, spielen eine Rolle in ihren Gegenüberstellungen.

Tamer Serbay

Meine Installationen und Objekte sind nicht Abbilder irgendwelcher Gegenstände oder natürlicher Formen. Sie sind lediglich das, was sie sind.
Beim Anblick meiner Arbeiten kann der Betrachter seine Eindrücke mit seiner eigenen Fantasie, den eigenen Erfahrungen assoziativ in Zusammenhang bzw. Einklang bringen - oder auch nicht.
Mir kommt es also auf die Synthese als gedankliche Verknüpfung von Material und Erinnerungen an, nicht auf die mimetischen Ergebnisse meiner Arbeit.

Chili Seitz und Ute Diez

Auf alten Bildprojektoren sind Fotografien zu sehen. Durch die Aufsplittung der Bilder mittels Glasscheiben und Prismen werden Fragmente von diesen im Raum verteilt. In der begehbaren Installation bewegt sich der Besucher im Bild. Durch die zeitliche Taktung der Projektoren entsteht eine Komposition, bei der sich immer wieder neue Bildelemente überlagern. Die Arbeit lotet dabei Eingriffe in den Wahrnehmungsprozess des Besuchers aus. Sichtbarkeit, die visuelle Wahrnehmung durch das Auge, ist nur durch Licht möglich. Dunkelheit entsteht durch Abwesenheit von Licht. Folglich suggeriert Licht konkrete, reale Wahrnehmung. Der Einsatz von Licht bei einer Reflektion und Zerteilung von Bildelementen führt uns jedoch in die Irre.  Visuelle Zuordnung aber ist wichtig für die Orientierung und Wahrheitsfindung. Dieser Halt, die scheinbare Sicherheit gerät in Räumen mit schwierigen Lichtverhältnissen, wie einem Keller, ins Wanken. Aufgrund der Einladung  von Künstlern aus dem Künstlerhaus Kiel durch das Künstlerhaus Dortmund, entstand diese Arbeit „Kellerschein“, die angeregt von der aktuellen identischen Nutzung beider Häuser die bruchstückhafte Überlagerung der Kellerräume zum Thema hat.  Der Keller als Gebäudebasis: Die ursprüngliche Funktion der Gebäude, in einem Fall ein ehemaliges Militärkrankenhaus und in dem anderen Fall eine ehemalige Waschkaue, ist in hier wie dort nicht mehr erhalten. In der Arbeit kommen somit durch das Spiel von Schein und Sein mittels Lichtsplitting die unterschiedliche Geschichte der Häuser und die aktuelle identische Nutzung gleichermaßen zum Ausdruck.