"Mirrors" beschäftigt sich in elf Positionen mit unterschiedlichen Facetten, die Spiegel und spiegelhafte Reflektionen mit sich bringen. Ausgehend von ihrer Materialität bis hin zu Fragestellungen realer Räume und Oberflächen öffnet die Ausstellung weiter den Blick auf Vorstellungen und Projektionen.

Eröffnung

Sophie Erlund

"Outsight insight paravent" bietet durch die abwechselnd offenen und verspiegelten Rahmeninhalte einen desorientierten und fragmentierten Blick auf seine Umgebung. Die an der Außenseite sich wiederholenden Linien einer Asphaltoberfläche und die im Inneren sich wiederholenden Himmelsbilder lenken den Blick des Betrachters auf und ab. Gleichzeitig wandert der sich immer mehr fragmentierende Blick durch den offenen und reflektierenden Spiegel, wobei die Mehrdimensionalität durch die Reflektion der Umgebung erhöht wird. Das Werk untersucht den psychologischen Zustand des „Dazwischen“.
1964 beschrieb der Anthropologe Victor Turner sozialen Wandel als „soziale Dramen“, die in vier Phasen unterteilt sind. Diese beziehen sich auf ein Modell von Arnold van Genneps Stufen der Übergangsriten: Trennungsphase, Liminalität und Wiedereingliederung. Seine Gedanken zur Schwellenphase bzw. Liminalität sowie die Gedanken des Philosophen Gaston Bachelard zu rationalen und irrationalen Gedanken haben seit Jahren einen starken Einfluss auf Erlunds künstlerische Recherche. Sie formen auch die konzeptuelle Grundlage der Werkserie Outside Inside, wovon Outsight insight paravent ein Teil ist.

www.sophieerlund.com

Philipp Fürhofer

Philipp Fürhofer ist ein Mann der Bühne: In seinen Leuchtkästen gestaltet der Künstler Szenerien, die er im Ausstellungszusammenhang wie Bilder an die Wand hängt oder zu skulpturalen Gruppen kombiniert. In Acrylgehäusen schichtet er bemalte, transluzente Bildträger und gefundene Objekte über- oder hintereinander, die im Zusammenspiel rätselhafte Porträts oder Landschaften aufscheinen lassen und deren Bedeutungsgehalt sich je nach Stärke der Illumination verschiebt.
Auf durchaus vergleichbare Weise verführen Fürhofers große Bühnenbilder, wie zuletzt etwa für die Royal Opera in London mit einem Entwurf für Giuseppe Verdis Les vêpres siciliennes (Die sizilianische Vesper). Am Badischen Staatstheater Karlsruhe schuf er für Mieczyslaw Weinbergs Oper Die Passagierin eine von Projektionen durchleuchtete Bühnenanordnung, die alle handelnden und spielenden Elemente filtert. In seinem Bühnenbild für Eugen Onegin in der De Nederlandse Opera in Amsterdam vermischte er reale räumliche Situationen mit einer kaleidoskopartigen Traumvision aus Malerei, Spiegeln und Licht.

www.philippfuerhofer.de

Anton Ginzburg


Ginzburg überquert in seinem Film "Walking the Sea", metaphorisch und im wahrsten Sinne den Aralsee, einen abflusslosen Salzsee, der zwischen Kasachstan und Usbekistan liegt. Aufbauend auf der Tradition der amerikanischen Land Art aus den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren, nähert sich Ginzburg dem wasserlosen Meer als „Readymade-Earthwork“. Hiermit bezweckt der Künstler, ein Gebiet sichtbar zu machen, das weitgehend unzugänglich ist und verwebt die historischen mit den potenziellen imaginären Komponenten. Er bezieht sich auf regionale Geschichte und kulturelle Mythen, wie die Figur des Pleinairmalers als wandernden Derwisch, der in realistischer Tradition Landschaft darstellt, oder auf den Glauben an einen unterirdischen "Inneren See", in den der Aralsee verschwunden ist.
Der Aralsee ist ein Binnen-Salzsee, der zwischen Kasachstan und Usbekistan liegt. Er war früher einer der vier größten Binnengewässer der Welt. Mit einer Fläche von mehr als 68.000 Quadratkilometern schrumpft der Aralsee seit den 1960er Jahren und ist inzwischen fast ausgetrocknet. Bedingt durch Umleitungen großer Wassermengen, um Baumwollfelder in der  umliegenden Wüste zu bewässern, kam es zur Umweltzerstörung mit daraus resultierendem Untergang des einst wohlhabenden Fischereisektors in der Region. Es folgten Arbeitslosigkeit und ein lokaler Klimawandel.
Als „Readymade-Earthwork“ erforscht Ginzburg das poetische Paradoxon des Meeres ohne Wasser. Der Künstler benutzt Landschaft, die Reste der Vergangenheit des zwanzigsten Jahrhunderts enthält und erforscht somit ihr kollektives Gedächtnis. Das Tragen eines Spiegel als Gerät der Repräsentation bietet eine wörtliche und metaphorische Reflexion über Szenen der historischen und natürlichen Prozesse: Der freigelegte Meeresboden, die verlassenen Gebäude, Militärlager und verstreute, rostende Gefäße. Der Film verbindet die Dokumentation der physischen Erfahrung des Meeres mit seiner persönlichen poetischen Interpretation.

antonginzburg.com

Heike Kabisch

Die Skulpturen von Heike Kabisch verströmen eine Mischung aus anmutigen Werten, wie Sinnlichkeit und Eleganz, gepaart mit einer kaltherzigen, grausamen und absurden Direktheit.
So sind die Protagonisten - erhoben auf eine extrem realistische Bühne - anziehend und abstoßend zugleich. Von einer meditativen Stille und Sprachlosigkeit umhüllt, scheinen sie auf einen direkt bevorstehenden furchtlosen Ausbruch zu warten.
In ihrer ästhetisch ironischen Figuration benutzt Heike Kabisch den physischen Körper als eine Allegorie unserer Gesellschaft. Dabei erforscht sie sich selbst, um die Paradoxie des menschlichen Verhaltens darzustellen. Das von Kabisch künstlerisch gestaltete Universum beleuchtet den Grund unserer Existenz und Realität und zeigt die skurrile, innere Schönheit des Menschen.

heikekabisch.com

Gereon Krebber

Am Ende einer Aluminiumstange hängt ein großer ovaler Spiegel, dessen Spiegelschicht partiell entfernt ist. Der Spiegel wirkt eigenartig wolkig, halb reflektierend, halb transparent-klar durchscheinend. Auf der Rückseite sind die beiden Farbschichten, die das Silber vor dem Anlaufen schützen, unregelmäßig angeschliffen. Das verrätselt die Ebenen zusätzlich. Was man eigentlich sieht, was wo ist, ob davor oder dahinter, ob Figur oder Grund, Spiegelung oder Durchblick – es ist schwierig zu fassen. Es ist ein Vexierspiel, das wortwörtlich den Raum hinter dem Spiegel herstellt und verunklärt.
Eine Bewegung reicht, um die Spiegel in Bewegung zu setzen, aneinander vorbeiziehen zu lassen. Als Gegengewichte dienen eine zerbrochene Gehwegplatten und ein Bronzeguss, die in der Form halb organisch und halb kristallin wie kantig verhärtete Tropfen wirken. Steine, Bronze und Spiegel: Die Materialien kontrastieren fest und brüchig. Zusammen ergibt sich ein bizarrer Reigen, der sich auf eigenen Bahnen und in eigenen Abhängigkeiten um sich selbst dreht.

www.gereonkrebber.net

Timo Kube

“Untitled White Cloth" balanciert zwischen Transparenz und Opazität. Im Spiegel, der mit Stoff bezogen wurde, wird der tatsächliche Raum nur schwach reflektiert. Es entsteht der Eindruck eines unabhängigen Bildes. Das Gewebe verstärkt die Trennung zwischen dem Realen und dem Reflektierten. Trotzdem bleibt die Darstellung dem realen Raum verbunden und bewegt sich entsprechend der Perspektive des Betrachters, der Architektur und der Lichtverhältnisse. Das Gewebe auf dem Spiegel funktioniert als eine Schnittstelle zwischen dem bildlich Vorstellbaren und dem Tatsächlichen. Es entfaltet sich ein Raum innerhalb der Oberfläche.

www.timokube.net

Claudia Mann

„Die Gravitation ist unser Code. So sind wir nach den Bedingungen auf der Erde gebaut.“ Skulptur beginnt unter unseren Füßen, erstreckt sich bis zu unserem individuellen Horizont, verschiebt ihn zuweilen. Physikalische Kräfte erzeugen komplexe Formen aber auch spontane Vorstellungen ferner Bedingungen. Claudia Mann interessiert sich für den Ursprung von Skulptur selbst und inwiefern der Mensch Erfinder oder nur Bezugspunkt für Skulptur ist. Claudia Mann arbeitet nach der menschlich möglichen Umgebung, aber synchronisiert Vorstellungen außerhalb und innerhalb unseres Wirkungskreises auf der Erde in ihren Arbeiten. Der Weltraum, der Erdmittelpunkt sind das Konzentrat, aber auch Umgebung von Skulptur. Die Abformung des Startpunktes von Skulptur ist eine weitere Strategie, den Begriff von Skulptur zu erweitern und zugleich zu schärfen. Claudia Mann arbeitet additiv und beobachtend unter den Bedingungen des Materials. Zufall, Widerstand und Wechselwirkung spielen dabei eine wesentliche Rolle. „Skulptur existiert durch den Menschen“, schreibt Claudia Mann. „Wenn die erste Skulptur das Grab ist, wird Skulptur jemals ohne den Menschen existieren? (Guido Meincke, Kunsthistoriker Wilhelm Lembruck Museum Duisburg, 2015)

www.claudiamann.de

Thomas Musehold

Thomas Museholds skulpturales Schaffen basiert auf Fundstücken, die er einerseits als Anschauungsmaterial nutzt, andererseits als skulpturales Werk verhandelt. Die gefundenen Objekte werden von ihm analysiert und bearbeitet, visuell durch Zeichnungen, formal durch manuelle Bearbeitung, Abformung oder chemische Prozesse. Beispielsweise bedient er sich geschnitzter Holzskulpturen, meist mit bukolischen oder religiösen Motiven, wie sie einst in bürgerlichen Wohnstuben seit den 1950er Jahren zu finden waren. Oder es sind vegetabile „objet trouvés“, die tatsächlich der Natur entstammen können, wie die archaisch anmutenden Zapfen, aber auch ein gefundenes Lampenglas aus unbestimmter Zeit.
Ausgehend davon, entfernt er Teile, geht in das Material hinein, fräst, schnitzt und schleift, formt und gießt sie ab. Die neuen gefundenen Formen betont er durch die auf die Objekte abgestimmte Oberflächenbehandlung, indem er tradierte Techniken aufgreift, wie beispielsweise eine Schellack-Politur, oder Flip-Flop Lack verwendet.
Die von Musehold für die Räume entwickelten Präsentationsmöbel greifen als Display einerseits in die räumliche Struktur des Ortes ein, eignen sich durch die spiegelnde Oberfläche die Räumlichkeit wieder an und verbinden sich andererseits mit den anderen Kunstwerken. (Auszug von Arne Reimann zur Ausstellung Corraxoma, 2015)

www.thomasmusehold.com

Dorothea Nold

–scape besteht aus sechs Turmmodulen, die jeweils symmetrisch an ihrer Achse gespiegelt sind. Die formale Spiegelung wird durch geometrische Muster auf der Grundfläche der Formen aufgebrochen, die durch die Reflexion des Lichtes entstehen, das von der Rückseite der Arbeit durch die Spalten dringt.
Während die Arbeit durch ihre formalen Aspekte sehr statische Kräfte hat, wandern die subtilen Zeichnungen auf der Grundfläche der Elemente mit der Richtung des Lichtes und erzeugen somit sich verändernde Muster. Diese sind auch, je nach Lichteinfall, helle, schneidende Streifen bis zu sehr kontrastarmen und unscharfen Linien.
-scape nimmt Referenz an urbaner Architektur, deren hauptsächliche Wirkkraft durch das Zusammenspiel von Materialitäten wie Glas und Licht entsteht und durch diese Spiegelung von Formen und Reflexion ihrer Umgebung und ihrer selbst ermöglicht.
Das matte MDF steht im Kontrast zu den sonst klaren und glänzenden Flächen von Spiegeloberflächen und stellt Fragen nach Wertigkeit und Eigenschaften von Materialitäten.

www.aussenwelt.net

Linda Sanchez

Der Film besteht aus vier zwanzig-minütigen Sequenzen. Das endlose Gleiten des Tropfens wird mit Hilfe eines Werkzeugs aus der Tier-Dokumentationstechnik realisiert, welches die Fallzeit markiert. Der Film wurde auf dem Dach eines Wasserturms realisiert. Der Ton des Films macht die Umgebungsgeräusche während der Filmaufnahmen hörbar.

www.dda-ra.org/fr/oeuvres/Sanchez_Linda

Katja Tönnissen

Die Arbeiten von Katja Tönnissen sind ironische Dokumente des Übergangs. In ihrer Form und Farbigkeit scheinen sie keine finale Gestalt annehmen zu wollen und verharren trotzig auf der Schwelle. Unterstützt wird dieses Unstete, Weiterstrebende durch Tönnissens Arbeit in Serien – alles ist weiter deklinierbar.
Mit Sonnenuntergängen, dem Wechsel von Licht und Farbe binnen Minuten, befasst sich Tönnissen auch bei ihren Lampen. Bereits auf der Leinwand experimentierte sie mit dem Übergang von Pastelltönen und das Ineinanderlaufen von Farbe. In der Keramikglasur ist dieser Farbübergang, das Ineinanderschleichen von Farbe, besonders gut möglich.
(Auszug von Katharina Klang, 2014)

katjatoennissen.de