Die Ausstellung „45257//44147“ zeigt Positionen von zehn ausgewählten Student:innen und Absolvent:innen des Studienganges Fotografie und Medien der HBK Essen unter der Leitung von Professor Carsten Gliese.
Die Auswahl der präsentierten Werke erfolgte unter keinem thematischen Gesichtspunkt – vielmehr soll die Ausstellung allgemein Einblick in die künstlerische Forschung und Lehre der noch jungen Kunsthochschule geben. Die Werke thematisieren die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der technischen Bildmedien oder verfolgen medienübergreifende, interdisziplinäre Aspekte. Das Spektrum reicht von klassischen Schwarz-Weiß-Fotografien bis hin zu Videoinstallationen bzw. skulpturalen Arbeiten. Die Themen sind vielschichtig und zeigen, wie frei und lebendig das Studieren an der Hochschule in Essen Kupferdreh ist.
Die 2013 eröffnete Hochschule der bildenden Künste Essen ist eine staatlich anerkannte, private Kunsthochschule. Sie bietet drei unterschiedliche Studiengänge an: Bildhauerei/Plastik, Fotografie/Medien und Malerei/Grafik. Sie sind mit dem Ziel einer praxisorientierten Ausbildung im Bereich der freien bildenden Kunst konzipiert und ausgerichtet. Im Studiengang Fotografie/Medien spielen interdisziplinäre Aspekte ebenso eine Rolle wie die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der technischen Bildmedien. So erlernen die Student:innen neben der klassischen Fotografie auch raumbezogenes Arbeiten und die Inszenierung multimedialer Installationen.
Als Kind bot ich Gott den Deal an, dass ich bereit wäre, in sein Reich zu kommen, aber vorher das Geheimnis der Welt erfahren möchte. Der Drang, Wesentliches über die Welt zu erfahren, ist geblieben. Meine Arbeiten sind Gedankenbilder, die ich als „Versuchsanordnungen“ begreife.
Der Prozess und das Spiel zwischen Mensch und Maschine, Digitalem und Analogem, Kontrolle und Kontrollverlust, zwischen Körperlichkeit und Virtualität zeigen sich in meinen Arbeiten als mediale Installation, Skulptur, als Bild oder Objekt.
Seit langem beobachte ich, wie wir Menschen mit unseren verschiedenen „Devices“ umgehen und auch in sie eintauchen. Die taktilen Aktionen und Bewegungen über, aber auch der oft etwas entgeisterte starre Blick auf die Displays haben mich fasziniert. Die Video-Rauminstallation „serial.interfaces“ ist ein Ergebnis dieser Auseinandersetzung.
Ein Beamer projiziert einen Videoloop.
Als Projektionsflächen dienen glatte, transparente und/oder spiegelnde Oberflächen sowie blickdichte Materialien mit einer raueren, „porigen“ Oberflächenstruktur. Durch Positionierung und Ausrichtung der Bildträger zu- und untereinander wird die Projektion vervielfältigt, aber auch in Teilbilder, neue Bildobjekte fragmentiert. An manchen Stellen entstehen Überlagerungen, Verschmelzungen oder Verzerrungen. Performative Momente aus der Fläche verbinden sich mit Material zu mehrdimensionalen bewegten Bildräumen zur multiperspektivischen Installation.
Annette Hiller ist ausgebildete Fotografin und lebt und arbeitet in Ratingen sowie im Rheinland. Im Oktober 2016 hat sie ihr Kunststudium mit dem Schwerpunkt Fotografie und Medien an der HBK Essen begonnen. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit Struktur, Rhythmus, Form, Licht und Raum. Sie setzt reale Situationen in gesteigerte oder fragmentierte Bilder um, wobei die neu geschaffene materielle Dimension der Werke eine große Rolle spielt.
Als Vorlage für die Objekte hat sie architektonische Licht-Raum Momente in moderner Kirchenarchitektur fotografiert. Aufbauend auf diese Fotografien hat sie aus Kartons einen Raum im kleinen Maßstab gebaut, welcher durch seinen Aufbau und die Ausleuchtung Irritationen hervorruft und zu dem Versuch der Entschlüsselung einlädt.
In ihren Reliefbildern verwandelt die Künstlerin Architekturfotografien zu fragmentierten Bildern. So entsteht eine neue bildnerische Architektur.
"Mein Werk ist durch serielles Arbeiten und sich parallel entwickelnde Werkphasen geprägt.
Es sind die Facetten des Lebens, die scheinbar banalen Dinge, aber auch so manche politischen Fragen, die zu Themenfeldern meiner Arbeit werden. Ich benutze die Fotografie aber nicht nur im klassischen Sinne als zweidimensionales Abbild von Dingen, sondern ich verstehe sie auch als Material, mit dem ich Neues erschaffen kann, um so meine Gedanken für jedermann sichtbar zu machen.
“Das große Durcheinander“ aus der Reihe “Fake News oder stille Post für Fortgeschrittene“ zeigt eine Flut von Bildmanipulationen eines Ortes im digitalen Zeitalter und gibt auch gleichzeitig zu verstehen, dass es niemals ein neutrales Bild von einer Kamera geben kann."
Loïc Hommel absolvierte 2015 sein International Baccalaureate und studiert seit 2016 Fotografie und Medien an der HBK Essen. In seinen aktuellen Arbeiten visualisiert er oftmals für die menschlichen Sinne nicht erfassbare naturwissenschaftliche Phänomene und setzt diese in seinen Arbeiten in einen künstlerischen Kontext.
Bei dem Werk "Inertia" – die englische Bezeichnung für Trägheit – sind zwei Pendel in einer Konstruktion angebracht, welche sich in einem bestimmten Zeitintervall für einen kurzen Augenblick um ihre eigene Zentralachse drehen. Weil die Pendel in einem Bereich in der Konstruktion angebracht sind, wo Trägheit und Fliehkräfte beim Anlauf herrschen, wird eine Bewegung initiiert, die das jeweilige Pendel für mehrere Minuten in Schwung hält, bis schlussendlich ein neuer Impuls folgt.
An den Enden der beiden Pendel ist eine spezielle Lichtquelle eingebaut, welche einen Lichtpunkt auf eine darunterliegende phosphoreszierende Fläche wirft. Die Bewegung des Pendels, bzw. der ausgestrahlte Lichtstrahl, der über die Oberfläche des phosphoreszierenden Materials wandert, wird somit in Form einer eigenständig leuchtenden temporären Lichtzeichnung festgehalten.
Aufgrund der von den Pendeln selbst ausgehenden Schwingungen, welche sich in der gesamten Konstruktion ausbreiten, beeinflussen sie sich selbst, obwohl sie getrennt voneinander hängen. Sie stehen in einem ständigem Dialog miteinander.
Dirk Krüger ist ein 1961 geborener, im Ruhrgebiet lebender Künstler. Er studiert Fine Arts an der Hochschule für bildende Künste in Essen mit dem Schwerpunkt Fotografie und Medien. In der Fotografie arbeitet Dirk Krüger mit analogen und digitalen Mitteln. „Der meditative Moment, der sich während der Fotografie mit einer analogen Großformat-Kamera ergibt, fasziniert mich und lässt mich häufig auf eine hybride Arbeitsweise zurückgreifen.“ Die Begeisterung für die Schwarz-Weiß-Fotografie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führt ihn immer wieder zu selbiger zurück. Das Zitat Alexander Rodchenko‘s „das Neue sehen, selbst im Gewöhnlichsten, Alltäglichen“ hat für seine Arbeiten eine große Bedeutung. „In meinen Arbeiten lade ich den Betrachter zu einem Ausflug ein, in eine Welt, gesehen mit meinen Augen.“ In seinen Videoarbeiten arbeitet Dirk Krüger mit der Beziehung von Handlung und Betrachter. Das Selbstportrait hat in der Vergangenheit eine wichtige Rolle gespielt.
Die 2018/2019 entstandene Arbeit „Verzaubert“ führt den Betrachter in die Welt von Tom, „einem Menschen wie du und ich und doch ein wenig anders“.
Meike Poese fokussiert sich bei ihren Fotografien auf die Menschen. Meist bildet sie diese nackt oder in Unterwäsche ab, also so pur wie möglich. Es sind zum größten Teil Schwarz-Weiß-Bilder, um den Betrachter nicht unnötig abzulenken. Poese zeigt ihre Modelle so wie sie sind, ungeschönt und eben nicht perfekt, weil gerade die kleinen und großen Makel, die jeder hat, den Menschen zu etwas Besonderem, etwas Einzigartigem machen. Mit ihren Bildern möchte die Fotografin das mediale Schönheitsideal in Frage stellen und zeigen, dass jeder Mensch schön ist, auch wenn er diesem Ideal so gar nicht entspricht.
In der Serie "Ruhrpott Gesichter" werden verschiedene Menschen zwischen 18 und 77 Jahren aus dem Ruhrgebiet gezeigt. Die Bilder sind schwarz-weiß, diese Reduktion der Farbe hilft dem Betrachter, sich auf das Wesentliche, den Menschen selbst zu konzentrieren. Die Personen, die auf den Bildern zu sehen sind, entschieden sich bewusst dazu, für diese Serie Modell zu stehen. Sie wurden nicht ausgesucht, sondern folgten einem Aufruf in den sozialen Medien. An einem Wochenende im November 2018 kamen so über 90 verschiedene Menschen aus dem gesamten Ruhrgebiet zusammen, um an dieser Idee mitzuwirken. Die Serie soll zeigen, wie unterschiedlich und einzigartig jeder Einzelne auf seine Weise ist.
Dem Ausstellungstitel entsprechend präsentiert Gabi Rottes im Künstlerhaus Dortmund Werke aus ihrer Werkgruppe "itsallaboutMIES", die sich allesamt mit einer Ikone unter den Architekten beschäftigen – Mies van der Rohe. Neben einer skulpturalen Arbeit zeigt sie zwei Videoinstallationen, in denen sie ausgewählte Gebäude gewissermaßen seziert, dekonstruiert und neu zusammensetzt, um so ganz neue und eigenständige Kunstwerke entstehen zu lassen.
"MIES.edith’s dream", eine an einen Paravent erinnernde Skulptur, zeigt collagierte 3D Visualisierungen des Farnsworth House, die von allen schmückenden Details befreit worden sind. Lediglich die konstruktiven Teile sind erhalten geblieben, wodurch der Betrachter sich das Gebäude einerseits komplett erschließen kann. Andererseits entstehen durch die Überlagerungen und die Wiedergabe der verschiedenen Gebäudekompartimente in unterschiedlichen Graustufen auch Unsicherheiten. Das Gebäude erscheint extrem variabel und durchsichtig.
In "MIES.moving curtain" und "MIES.miesian motion" treibt Gabi Rottes die Idee des Künstlers vom grenzenlosen Raum auf die Spitze. In beiden Videoarbeiten lässt sie den Betrachter quasi durch die Räume fliegen, deren Grundlagen etwa im Barcelona-Pavillon, dem Farnsworth House oder auch der Neuen Nationalgalerie zu finden sind. Vorn und Hinten, Innen und Außen scheinen sich zu durchdringen, Grenzen werden aufgelöst, damit kommt sie der Architektur Mies van der Rohes ganz nah und geht doch weiter, als er es in seinen originären Bauten je geschafft hat – die vollständige Entgrenzung des Raumes.
(Autor: Thomas Hensolt)
Ich hinterfrage in meinen Arbeiten die Differenz zwischen konzeptioneller Arbeit und einer subjektiven künstlerischen Geste. Die klassische Frage nach der Kunst selbst, aber auch das Verhältnis von Kunst und Betrachter spielen oftmals eine fundamentale Rolle.
Die dreiteilige Werkgruppe "untitled - elements are always related" befasst sich demnach mit subjektiven Zusammenhängen persönlicher Gegenstände. In der Arbeit "chairs and" wird eine wartezimmerähnliche Situation in einer fremden, jedoch heimischen Atmosphäre dargestellt.
Das Werk "wardrobe” zeigt zwei gleiche Kleiderständer, die sich lediglich durch die daran hängenden Kleidungsstücke unterscheiden, durch die man stöbern kann. Abgerundet wird diese Gruppe durch das recht steril wirkende Regal von "shelf", welches diverse Objekte beinhaltet.
Die Fotobücher von Xiamao Wang zeigen die späten Nächte von Dortmund und Chengdu, der Heimatstadt der Künstlerin. „Die nächtliche Stadtlandschaft finde ich immer attraktiver und mysteriöser als sie tagsüber erscheint. Jedes Mal, wenn ich alleine in der tiefen Nacht auf der Straße herumlungere, ist es wie ein Chat nur zwischen mir und der Stadt und wir tauschen Geheimnisse miteinander aus.”
Die Fotoserie „Kangding” ist eine neue Sammlung von Xiamao‘s Menschenfotografien. Als das Tor zu Tibet spielt Kangding eine wichtige Rolle für die Verbreitung des tibetischen Buddhismus. „Folge ich den Schritten der Bhikkhunis, so fühle ich mich näher an dieser geheimnisvollen Kultur."