Die Ausstellung Vs. Frühwerk beschäftigt sich mit der individuellen (Stil-)Entwicklung von Künstler:innen. Hierfür werden in der vielseitigen Gruppenausstellung pro künstlerischer Position exemplarisch je eine aktuelle Arbeit und ein Frühwerk gegenübergestellt.
Wie hat sich das Werk im Laufe der Zeit formal und inhaltlich verändert, oder wurden letztendlich gar ganz neue künstlerische Wege eingeschlagen?
Da der Begriff „Frühwerk“ immer ein wenig anders definiert werden kann, wurde als einfachstes Kriterium eine Zeitdifferenz von mindestens 10 Jahren festgelegt. Sehr junge Künstler:innen müssen so auf Schätze ihrer Jugend zurückgreifen, während ältere Künstler:innen durchaus auch Stilwechsel in ihrer Karrieremitte präsentieren können.

Die geschwärzten Abbildungen der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten ("Spätwerke") werden auf dieser Webseite erst nach dem Ausstellungsende enthüllt.

Helga Beisheim

Die Arbeit Langendreer entstand 1974. Mich interessierte in dieser Zeit vor allen Dingen meine durch den Bergbau und seine Baukultur geprägte Umgebung, die traditionsreichen Geschäfte um dem Marktplatz Langendreer, die noch vorhandenen Kotten und Bauernhöfe,die Imbissbuden, die Schrebergärten wie auch das „Haus Langendreer“, über das ich eine Dokumentation für die Ausstellung im Museum Bochum mit dem Thema „Umbau der Stadt“ machte.
Der hier gezeigte Holzschnitt Schatten-blau entstand 2024 und wurde mit zwei Platten an der Handpresse gedruckt. Der Holz- wie auch der Linolschnitt faszinieren mich seit vielen Jahren, weil ich die Druckergebnisse durch die Wahl des Papiers und der Druckfarben variieren kann. Es freut mich sehr, dass auf Initiative des BBK e.V. seit 2019 der Tag der Druckkunst mit bundesweiten Ausstellungen begangen wird.
Um meine Arbeit über diesen langen Zeitraum von 50 Jahren zu beschreiben, fallen mir folgende Stichworte ein: Neugierde zu erkunden und auszuprobieren, risikoreich und unbekümmert, Ideen nachgehen und sie spielerisch umsetzen, dabei alle mir zur Verfügung stehenden Medien verwenden.

www.helgabeisheim.de

Linus Clostermann

In seinen biomorphen Skulpturen und Installationen untersucht Linus Clostermann das gegensätzliche Verhältnis zwischen künstlichen, industriell gefertigten Materialien und Formen, die lebendigen, wachsenden Organismen nachempfunden sind. Inspiriert von Narrativen der Horror-, Fantasy- und Science-Fiction-Genres entwickelt er außerdem ortsspezifische Arbeiten, die sich parasitär oder symbiotisch mit der Ausstellungsarchitektur verbinden. Mit Hilfe von selbst entwickelten Techniken und unkonventionellen Werkzeugen schafft er detaillierte Oberflächenstrukturen, die in vielen seiner Arbeiten als wiederkehrendes Element vorkommen.

www.linus-clostermann.de

www.instagram.com/linus.clostermann

Björn Drenkwitz

In 10 Minuten von 2009 haben 10 Darsteller*innen die verstreichende Zeit vor der Kamera subjektiv eingeschätzt und so in ihrer eigenen Taktung vermessen.10 Jahre später wurde die Arbeit mit allen noch verfügbaren Darsteller:innen wiederholt, so daß sich jetzt nicht nur das Verstreichen der subjektiven 10 Minuten darstellt, sondern im Vergleich beider Arbeiten auch der größere Maßstab des Verstreichens des Jahrzehnts. Dies ist subtiler und lässt sich allenfalls in der Veränderung der Gesichter der Darsteller*innen ablesen. Es stellt sich die Frage im Vergleich beider Videos, ob sich das Zeitempfinden des Menschen mit zunehmendem Lebensalter verändert.

www.bjoern-drenkwitz.de

Alexander Endrullat

Mein künstlerischer Schwerpunkt ergibt sich aus dem Experimentieren mit dem jeweiligen Medium. Durch die künstlerische Bearbeitung von alltäglichen Objekten, Situationen und Erfahrungen entsteht ein Schaffensprozess, der sowohl den Entstehungsprozess selbst dokumentiert als auch Reduzierte Pointenund situative Geschichten hervorbringt. Grundsätzlich arbeite ich sehr assoziativ, prozesshaft und oft in Verbindung mit Schrift. Das Hinzuziehen und Experimentieren mit neuen Materialien erweitert die Art und Weise mit denen ich Themen umsetze. Das ausloten traditionellen Grenzen in Technik und Darstellungsform ist für mich das spannende. Durch das Beobachten meiner Umwelt und die Analyse von Erlebnissen und Dingen, die mich umgeben, entstehen pointierte Szenen und Geschichten, die aufs Wesentliche reduziert in der Malerei umgesetzt werden.
Das Hinzufügen von Schrift erfolgt meist als letzter Schritt und bedeutet für mich eine Art Zäsur – oder auch „Schlussstrich“, der das Bild vollendet. Meine Objekte entstehen oft aus einer spontanen Handlung heraus, bei der ich Reparatur- und Lösungsansätze aus dem Alltag einfließen lasse. Die Ideen entwickeln sich organisch aus dem jeweiligen Thema heraus, wobei ich daraufachte, dass die Geschichte des Objekts deutlich erkennbar bleibt. Die gegenübergestellten Arbeiten habe ich aus rein formalen Gründen ausgewählt. Dem Betrachter soll es freistehen welche Art von Verbindung er zwischen den Werken sieht.

www.alexanderendrullat.de

www.instagram.com/alexanderendrullat

Martin Huidobro

"Martin Huidobro zitiert in seinen farbintensiven Bildern Zeichen und Symbole des Alltags. Wie selbstverständlich verwischt er dabei die Grenzen zwischen Malerei, Design, Skulptur und Architektur und öffnet eine Welt aus Bedeutungen und Bezügen. Zentrales Thema in Huidobros Bildern, Objekten und Installationen ist der Gegenstand mit seinen funktionalen, ästhetischen und evokativen Attributen. Formen und Farben reduziert er auf das Wesentliche und führt uns spielerisch und augenzwinkernd die ästhetische Durchmusterung der Welt vor Augen." (Thomas Weltner, Kurator)

www.martinhuidobro.de

www.instagram.com/martin_huidobro

Santiago Insignares

In meiner Arbeit nutze ich gerne die Verspieltheit oder „das Spielzeug“, um tiefgreifende Themen sowohl in meinem Universum als auch in der heutigen Gesellschaft anzusprechen. Jedes Objekt, das aus meinem Universum und meinen Erfahrungen entsteht, versucht, dunkle oder widersprüchliche Aspekte des Lebens zu beleuchten, die wir normalerweise zu unterdrücken oder auszulöschen versuchen, weil sie unser Verhalten als rationale Wesen in Frage stellen. Auch die Sehnsucht nach einer heute unerreichbaren Vergangenheit ist ein wiederkehrendes Thema, das dazu dient, eine gemeinsame Basis mit dem Betrachter zu finden und eine Brücke zwischen dem Persönlichen und der gemeinsamen Erfahrung zu schlagen. Durch die Verwendung einer spielerischen Farbpalette und verschiedener Materialien versuche ich, die ästhetischen Qualitäten des Werks von seinem Inhalt zu trennen. Es geht mir darum, durch den Einsatz von Humor, Ironie und Angst, die durch das spielerische Objekt vermittelt werden, zum Nachdenken anzuregen, durch Bilder, die gleichzeitig grotesk, unheimlich und süß sind.

www.santiagoinsignares.com

www.instagram.com/insignaresart

Roman Lang

In meiner Arbeit setze ich mich viel mit vorherrschenden Gesellschafts- und Machtsystemen auseinander. Meine oft großformatigen und raumbezogenen abstrakten Malereien auf Holz stehen formal-ästhetisch auf dem ersten Blick in der Tradition des Konstruktivismus, des Colour-Field-Painting oder auch der Hard-Edge-Malerei. Schaut man genauer hin, erkennt man, dass ich durchaus mit diesen Einflüssen spiele, mich aber in meiner Arbeit einer klassischen Einordnung in den kunsthistorischen Kanon verweigere. Bewusste Leerstellen, Linien, die ins Nichts führen, abgebrochene oder ausgeschnittene Elemente, High- und Low Materialien werden selbstbewusst nebeneinandergestellt und miteinander kombiniert. Der Einsatz von Irritationen und Fehlern innerhalb meiner Bildsysteme fordert die Einbindung des Betrachters, der die Leerstelle füllen, die Linie weiterdenken soll, um somit Teil der Arbeit und des künstlerischen Prozesses zu werden. Dieser Akt gilt als Ansatz mehr Demokratisierung im Kunstbetrieb zu wagen. Den Rezipienten mehr Autonomie im Betrachtungsprozess zu ermöglichen und nicht nur unsere bestehenden Herrschaftssysteme zu hinterfragen, sondern auch sich selbst. Wieso bin ich an dieser Stelle irritiert, wieso kommt mir diese Aussparung als Leere als Fehler vor? Die eigene Konditionierung von Kulturrezeption und tradierten Denkmusterm zu hinterfragen und aus der Reflexion neue Betrachtungs- und Partizipationsweisen zu etablieren ist Ziel meiner Arbeit.

www.roman-lang.com

www.instagram.com/roman___lang

Jae Jin Park

Ich beschäftige mich thematisch mit den Wechselwirkungen von Licht und Raum.
Lichtraum (Kokon) besteht aus vielen kleinen Verpackungsschachteln. Eines Tages fielen mir leere Schachteln ins Auge. Als ich sie genauanschaute, erschien es für mich, als seien sie kleine Räume. Ich möchte diese versteckten Räume durch das Licht sichtbar machen. Licht ist ein Zeichen, dass etwas belebt, bewohnt ist – existiert. Damit meine ich das „innere“ geistige Licht im Menschen und das natürliche oder künstliche „äußere“ Licht, welches den Raum definiert und sichtbar macht. Ich wollte ein Objekt schaffen, das sich jeden Moment mit dem natürlichen Licht verändert. Der Raum wird durch Licht gefüllt und durch Licht geleert. Das zeigt Lebendigkeit und Vergänglichkeit. Wenn ich die ausgedienten Verpackungsschachteln nehme, um ihnen neues Leben einzuhauchen, ist es wie die Raupe, die einen Kokon baut, um sich zu verwandeln. Der Prozess des Wiederholens ist für mich fast wie ein meditativer Akt.

www.jaejinpark.com

Iwona Rozbiewska

Die Hauptinspirationsquellen von Iwona Rozbiewska sind Architektur, Design, Kultur und Situationen aus ihrem täglichen Leben. Ein kontinuierliches künstlerisches Experimentieren mit bestimmten Objekten, Konzepten oder Materialien kennzeichnet ihre Arbeit. Eines ihrer ersten Werke, die Installation Untitled (The Cemetery) aus 2012, ist eine Installation, die als Skulptur, Design und als Gebrauchsgegenstand funktioniert. Unterschiedlich geformte, mit grauer Farbe gestrichene Körper aus Spanplatten sind zu einer abstrakten Skulptur zusammengefügt, die horizontal auf dem Boden steht. Ein anderes Mal präsentieren sich die gleichen Körper als (Innen-)Architektur. Anschließend suggerieren die gleichen Körper die Möglichkeit ihrer Verwendung. Dieses Werk wurde von Formen von Friedhöfen und deren Architektur sowie auch von der Struktur des menschlichen Körpers inspiriert. Im weiteren Verlauf ihrer Arbeit tauchten die Spirale sowie die Themen „Offenheit“ und „Idylle“ sowohl als physische Formen als auch als wiederkehrende Symbolik als neue Motive in den Kunstwerken von Rozbiewska auf, In ihren jüngsten Werken experimentiert Rozbiewska mit Ton und stellt daraus handgefertigte Keramikfliesen und Ziegel her. Sie kombiniert deren minimalistischen Formen mit ovalen Metallobjekten, die mit verschiedenen Farben bemalt oder mit Holzobjekten verkleidet sind.

www.iwonarozbiewska.com

www.instagram.com/iwonarozbiewska

Sigrid Schewior

Meine künstlerische Arbeit entwickelt sich im Dialog zwischen analoger Kunst und ihrer Verschmelzung mit digitalen Technologien. Es entsteht ein komplexes Gebilde, in dem der Betrachter ein erweitertes Weltverständnis erfahren kann.
In meinen Studienjahren wurden aus dem Material des Malers Installationen gefertigt. Ab 1987 wandte ich mich wieder intensiv der Bildsprache zu. Die Befragung der Bildrealität, realer Raum und Flächenraum traten in den Fokus. Es entstanden die Fotoarbeiten, in denen nun der Realraum mit Hilfe der Fotografie in die Bildebene transferiert wurde. Fragestellungen der Malerei werden in den Fotoarbeiten mit der fotografischen Realität mittels malerischer/grafischer Intervention verklammert. Die Bearbeitungsebene ist nicht mehr sinnlich-materiell präsent, sie wird – gleich dem fotografischen Material – in ein Zeitkontinuum gestellt und präsentiert sich dem Betrachter als Erinnerungsmoment. „Das Ergebnis ist irritierend. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen Fläche und Raum und eine den Gegenstand verfremdende Abstraktion.“ (I. Mößinger)
In den Mehrfachbelichtungen werden „in situ“ Bilder gestaltet. Meiner spontanen Inspiration folgend entstehen in der Überlagerung der Aufnahmen fotografische Bilder, die raumzeitliche Strukturen, das Fließen der Zeit, den ständigen Wandel erfahrbar machen. So kann eine Vorstellung eines lebendigen Raums entstehen. Der Raum, der uns umhüllt, ins Bewusstsein rückt (ganze Realität assoziierend).
Die Malerei, das als das Medium der Auflösung und damit eine Tendenz zur Grenzüberschreitung hat, bildet das anschauliche Äquivalent zum geistigen Raum.Im Blick des Malers und im Blick des Fotografen auf die Welt der Erscheinungen führt das Sehen zur Analyse und Anschauung von dem, was Abstraktion sein kann. Der Betrachter wird zu Sprüngen des Sehens animiert.

www.cloudbusting.selfhost.co/layenhof/index.php/die-kreativen/sigrid-schewior

Gitta Witzke

Fore-edge Painting (gelegentlich abgekürzt Fore-edge, deutsch: Unterschnittmalerei) bezeichnet eine versteckte Buchschnittdekoration, die an den Kanten von Buchseiten angebracht wird und die beim Durchblättern ebenso wie im geschlossenen Zustand des Buches unsichtbar ist. Die Malerei zeigt sich nur, wenn man die Blätter des Buches zusammenpresst und leicht gegeneinander verschiebt. Dann erscheint ein Bild auf dem Buchschnitt (engl. fore-edges) (Wikipedia).
Hier ist es jedoch anders. Es wird nicht auf den Buchschnitt gemalt, sondern auf Leinwand. Senkrecht nebeneinander verlaufende bunte Streifen lassen zunächst an die Tradition der konkreten Kunst denken, doch das ist eine Täuschung. Durch den versetzt verschobenen Schnitt, die Auffächerung sich überlagernder Seiten von Zeitschriften oder Büchern ergibt sich eine bildnerische Vorlage, die dann detailgetreu abgemalt wird. Das Ergebnis ist Malerei, die auf den ersten Blick abstrakt erscheint, die aber tatsächlich reiner Fotorealismus ist. Entstanden ist so eine Reihe von grossformatigen Acrylbildern. Die Vorlagen dafür lieferte der Schnitt verschiedener Ausgaben der Zeitschrift „Jazz Thing“.

www.gittawitzke.de

Vs. Frühwerk

19. Oktober - 1. Dezember 2024

Presserundgang / Kuratorenführung
Freitag, den 18. Oktober, 17.30 Uhr

Eröffnung
Freitag, den 18. Oktober, 19 Uhr

Künstler:innen:
Helga Beisheim
Linus Clostermann
Björn Drenkwitz
Alexander Endrullat
Martin Huidobro
Santiago Insignares
Roman Lang
Jae Jin Park
Iwona Rozbiewska
Sigrid Schewior
Annette Wesseling
Gitta Witzke

Kurator:
Cornelius Grau

Abbildungen Werke: © die Künstler:innen

Finissage & Kuratorenführung
Sonntag, den 1. Dezember, 17 Uhr

Freundlich unterstützt durch:
Kulturbüro Dortmund