„Two to really get the feeling of romance“. Das in dem 1952 entstandenen Song besungene romantische Gefühl wird sich in der Ausstellung kaum einstellen. Seit der Witzelei von Ronald Reagan 1982 über die russisch-amerikanischen Beziehungen taucht die Metapher regelmäßig in den Schlagzeilen der internationalen Presse auf und ist zu einem sprichwörtlichen Ausdruck geworden, der sogar Eingang in die amerikanische Rechtssprache gefunden hat.
So breit wie die metaphorische Bedeutung des Ausstellungstitels sind auch die einzelnen künstlerischen Positionen in ihrer Erscheinung und Intention. Es dominieren künstlerische Arbeiten, in denen sich eine große Affinität zu Rhythmus, Struktur, Materialität und Bewegung durchklingt. Diese Elemente, die sich sowohl im Tango als Tanz als auch in der Tangomusik wiederfinden, prägen die Ausstellung.
Gemeinsam ist allen eingeladenen Künstlerinnen, dass sie, sei es als Mentee oder Mentorin, alle an den Kunst-Mentoringprogrammen in Mecklenburg-Vorpommern oder Nordrhein-Westfalen teilnehmen oder teilnahmen. Die Künstlerin Anett Frontzek engagiert sich seit mehreren Jahren in beiden Programmen, die sie jetzt durch die Kuration der Ausstellung miteinander verknüpft. „It takes two to tango“ bietet einigen Künstlerinnen die Möglichkeit einer romantischen, spielerischen, intellektuellen oder ernsten Runde auf dem Kunstparkett.
Schwerpunkt meiner künstlerischen Arbeit sind ortsbezogene Installationen, die die Wahrnehmung von Raum und zeitlichen/räumlichen Distanzen zum Thema haben. Dabei beziehe ich die konkrete Geschichte des Ortes und Besonderheiten der Architektur in meine Installationen ein oder nehme bisher nicht wahrgenommene Zwischenräume in den Fokus.
Ich verwende leichte, transparente Materialien, die in den Raum gehängt oder im Raum verspannt werden und eine neue Einteilung des Raumes bewirken. Bisherige Koordinaten treten in den Hintergrund. Vertraute Wege werden verlassen und Bewegungsstrukturen verändert, um den Ausstellungsraum zu durchqueren. Dies regt zur Reflexion über Bewegungsmuster im Alltag und die eigene Verortung an.
„Veränderungsprozesse, das Wachstum oder auch der Verfall zeichnen die Formen der Objektkunst Rabea Dransfelds. Die [Objekte] scheinen sich zu entwickeln und eine Evolution zu durchlaufen, obwohl sie nicht lebendig sind. Mit diesen formalen und materiellen Gleichnissen von Belebtem und Unbelebtem, von Biologischem und Geologischem und insbesondere der Analogie von Kunst und Natur, steht Dransfeld in der Tradition der Kunst- und Wunderkammern. Mit alchemistischen Animationen geht die Künstlerin den Eigenschaften von Materialien nach und untersucht ihre Transformation. [...] [Sie räumt] dem Zufall Platz ein und gesteht dem Material respektvoll ein Eigenleben zu. Es darf sich entfalten, so dass seine eigene Wirkungsmacht sichtbar wird.“ (Christina May)
GEFUNDEN
Zu viel Arbeit, zu weite Wege, zu lange Abwesenheit, zu kaputt, zu schmutzig, zu anders, zu groß, zu klein, zu unpassend, zu gruselig, zu mitgenommen, zu dunkel, zu eintönig, zu viel erlebt, zu wenig erlebt, zu bunt, zu langweilig, zu albern, zu modern, zu alt, zu politisch unkorrekt, zu eigenartig, ...
... es gibt viele Gründe, die es erschweren, einen passenden Zweiten zu finden.
In dieser Installation sind Paare ausgestellt: jedes Paar besteht aus einem verlorenen Handschuh und einer Kontaktanzeige aus dem „Magazin“.
Grundelement der Werke von Dorthe Goeden ist die Linie. Ob gezeichnet oder geschnitten bedeutet sie eine Unterscheidung, die eine Form entstehen lässt. Dabei liegt die Idee zugrunde, dass die so entstandene Form immer aus zwei Teilen besteht, die sich zueinander verhalten, nämlich gleichzeitig aus dem, was sie ist und dem, was sie nicht ist. So thematisieren die teils großformatigen Papierschnitte das Verhältnis von Anwesendem und Abwesendem. Die Linie wird dabei vom grafischen Gedanken der Zweidimensionalität gelöst und so die Grenzen von Bild, Objekt und Raum hinterfragt. Kleinformatige Zeichnungen, konkrete und auf das Wesentliche reduzierte Bruchstücke des Erlebten und der Erinnerung bilden den Ausgangspunkt. Ihnen werden Versatzstücke für komplexe Arbeiten entnommen. Reduktion und Rhythmisierung werden bildbestimmend. Reihungen und Spiegelungen begreift Dorthe Goeden als räumlich ordnende Momente. Ihr Interesse gilt Wiederholungsprozessen und den Möglichkeiten, die sich in den kleinen Abweichungen der handwerklichen Präzision und ihrer gedanklichen Reflexion eröffnen. Vor diesem Hintergrund hat sie in den vergangenen Jahren Arbeiten entwickelt, die aus sich wiederholenden Fragmenten aufgebaut sind und Dreidimensionalität erzeugen.
Johanna Herrmann arbeitet interdisziplinär und geht in ihrer künstlerischen Forschung konzeptuell und zugleich spielerisch experimentell vor.
Die Künstlerin konzipiert und realisiert Versuchsanordnungen und bewegliche Apparaturen, die sie an einem konkreten Punkt aus ihrer Hand gibt, damit sie ihren eigenen Gesetzen folgen können. Sie werden einem Naturprozess oder dem Zufall überlassen. Das Ergebnis bleibt so zunächst offen. In Johanna Herrmanns Installationen liegt der Fokus auf dem künstlerischen Gesamtprozess, der durch Bewegungsabläufe sowie die umgebende Landschaft geprägt ist. Durch ihre vielfältigen Vorgänge und Veränderlichkeit ist die Landschaft ein reizvoller Ausgangspunkt für die Künstlerin, an die sich Auseinandersetzungen mit artifiziellen Phänomenen anschließen können.
Durch das spielerisch-experimentelle Arbeiten ist Johanna Herrmanns künstlerisches Tun geprägt von einem Ausbalancieren und Austarieren – die Möglichkeit des Scheiterns ist ein essenzieller Bestandteil ihres Schaffens.
„Justyna Janetzeks in sich (ab-) geschlossen wirkende Zeichnungen sind alles andere als geschlossene Formen: sie erinnern von Ferne an Gebilde im Raum, aus der Nähe an Erweiterungen des materiell gar nicht Vorhandenen und im Kunstkontext an Möglichkeiten, die entstehen, indem sie in dreidimensionale Möglichkeitsräume verwandelt werden.“ (Michael Kröger)
„Raumgestrick 4.1, 2022 / Eine Zeichnung im Raum“. Der Faden wird zur Linie, die dreidimensionale Zeichnung spannt sich im Raum auf. Filigrane Raumgestricke aus Wolle oder dünnem Seil, fest mit ihrem Standort verbunden, erhalten im Zusammenspiel mit diesem ihre Form und Spannung. Ein Wechselspiel zwischen Stabilität und Flexibilität, zwischen Linie und Fläche, zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, wie es im Stricken an sich und im Gestrick selbst schon verankert scheint.
Die gestrickten ortsspezifischen Installationen haben ihren Ursprung in Zeichnungen des Werkkomplexes gestrickt-gezeichnet. Raumgestrick 4, ursprünglich für die Einzelausstellung “Fadenspannungen” in der GalerieN in Nienburg konzipiert, wird für die Ausstellung „It takes two to Tango“ strickend erweitert und modifiziert und als Raumgestrick 4.1 im Künstlerhaus Dortmund eine neue ortsspezifische Verbindung mit dem Ausstellungsraum eingehen.
Maria Seitz arbeitet im Bereich Zeichnung und Installation. Serielle Strukturen und repetitive Verfahren bilden die Grundlage ihrer Arbeiten. In einem systematisch angelegten Zeichenprozess bringt sie durch Strategien der Wiederholung, Serie und Reihung subtile Phänomene zur Sichtbarkeit. Mit minimalen zeichnerischen Mitteln erzeugt sie komplexe Texturen und (Farb-)Räume, geprägt von Regelmäßigkeit und Differenz, ruhiger Struktur und bewegter Varianz.
Zentral im Raum lege ich den roten Teppich [RED CARPET] auf den Boden. 2013 aus Glas und fragmen- tarischen Erinnerungen ge“knüpft“, verwirre ich mich über die Frage, ob dies meine Geschichte ist … .
Die Vergangenheit rückt in die unmittelbare Gegenwart als ich 2020 nach Rheinland-Pfalz ins Kollektiv meiner Studienzeit zurückkehre, und im dortigen Kunstforum 24 Stunden wach verbringe. Die beobachtete Zeit dokumentiert eine vielteilige Fotoserie. Deren Verdichtung transformiert meine spezifische Erfahrung und verstrickt sie mit abstrakten Ideen davon wie sich Zeit an sich sichtbar machen lässt.
Wir arbeiten,
versorgen uns und andere,
verlieben uns, manchmal so und manchmal so,
wir verletzen und werden verletzt,
trotzdem leben wir.
„Trotzdem“ ist eine Performance von Sierra Diamond und Lisa Tschorn, in der sie sukzessive und systematisch in einer mehrstündigen Session den Boden des Ausstellungsraumes mit Schulkreide bedecken/bemalen.
Während der Performance gibt es zwei Rollen, die durch das Spielen von Glücks- und Geschicklichkeitsspielen zu gewiesen werden. Wenn die Besucher:innen die Ausstellung betrachten wollen, müssen sie unweigerlich die Kreideschicht zerstören, wenn sie den Raum betreten.
www.lisatschorn.eu
www.sierradiamond.squarespace.com