Die Sprache offenbart uns eine tiefgründige Erkenntnis: „Ich bin nicht mein Körper, ich habe einen Körper." In Konsequenz der Erkenntnis, dass der Körper nicht die eigene Person ist, stellt sich die Frage nach der Substanz, die den Menschen belebt.
Die Ausstellung widmet sich dieser Fragestellung anhand der ausgestellten Kunstwerke. Im Fokus steht dabei die Ergründung derjenigen Faktoren, die das Entstehen eines Bildes bedingen. Welche Energieflüsse führen zum Bild? Wie oder was erschafft das Werk zum Leben? Die Ausstellung forscht nach den feinstofflichen Ebenen und unsichtbaren Räumen, die einem Kunstwerk inhärent sind.
"Die eigens für die Ausstellung realisierte Raum- und Soundinstallation von Isabella Fürnkäs vereint sinnliches Erlebens mit der Erfahrung abstrakter Denkmodelle. Von einem an der Decke gespannten Netz erstreckt sich eine Wolke aus 220 individuell gestalteten Glastropfen. Das Betreten des Raums aktiviert die das titelgebende Thema The Desiring Machines (dt.: die Wunschmaschinen) behandelnde Soundebene der Installation. Es beginnt eine Art Reise durch den menschlichen Körper, von seinen Bedürfnissen und Abläufen bis hin zum profanen Kreislauf der Körperflüssigkeiten.
Die immateriellen Worte im Sound thematisieren Bewegung, Erinnerung und Wiederholung, die Reise des Lebens und den Ablauf der Lebenszeit. Beim Durchschreiten der Installation kann Zeit als manifestierte Momentaufnahme erlebt werden, als eingefrorener Zustand des Fluiden, Vergänglichen, Nicht-Fassbaren.
Die Gruppierung der Glastropfen weist den Weg für die Begehung. Beim aufmerksamen Betrachten offenbaren sich Gravuren in einigen Glastropfen – Worte, in denen sich übergeordnete Werte, Sehnsüchte und Wünsche kristallisieren. Die Glaskörper, komponiert wie fixierte Bewegung im Raum, lassen die Anmutung eines sozialen Gefüges aufkommen. Alles ist miteinander verwoben, alles fließt." (Elke Kania über The Desiring Machines im Rahmen der Ausstellung you are here im Kunsthaus NRW)
Noch wird der menschliche Körper vor allem plastisch verformt und aufgerüstet. Neueste Verfahren, wie z.B. die Genschere CRISPER/CAS, ermöglichen jedoch bereits subtilere Umgestaltungen der inneren Verfasstheit und damit auch der äußeren Erscheinung. Nimmt man lebendige Körper als komplex verflochtene Systeme von Wirkzusammenhängen an, könnte bereits ein minimaler Eingriff eine unbeherrschbare Kette von Folgewirkungen auslösen.
Andrea Knoblochs Zeichnungen sind Spekulationen darüber, welche Entstellungen, ungewollte Mutationen oder plötzliche Metamorphosen derart behandelte Körper hinter ihren optimierten Fassaden verbergen. Auf zunächst mechanisch traktierten, verfärbten, perforierten oder durch Frottagen bearbeiteten Zeichengründen zeigen sich aus der Fassung geratene Wesenheiten, gefangen in unbestimmten Räumen. Der am eigenen Körper ausgelebte Gestaltungsdrang des Homo Faber ist das extreme Symptom seiner fortgesetzten Distanzierung vom natürlich Gegebenen. Alles wird verhandelbar, nichts bleibt Geheimnis, Unergründliches und Wundersames verschwinden. Könnte die Kunst, auf der Suche nach inspirierenden Wegbegleitern durch profanierte Wirklichkeiten, all dem ein Exil bieten?
Das als One-Shot entstandene Video Earth Rhythms, 2020 zeigt die Künstlerin Ayumi Paul auf einer Betonfläche stehend, welche zum Teil von tropischen Baumgipfeln überragt wird. Während sie mit ihrer Violine in die Rotation der Erde einstimmt, wird der Himmel nach und nach, fast unmerklich, dunkler. Nachdem alles Sichtbare in der Dunkelheit verschwunden ist, klingt das Spiel in den Rhythmen des sich drehenden Planeten weiter.
Wie häufig in Pauls Arbeiten werden in Earth Rhythms die Kompositionskontexte um die Parameter von Raum und Zeit derart erweitert, dass sie über die rein menschliche Natur hinausgehen. Gleichzeitig wird in Earth Rhythms etwas Nicht-Hörbares spürbar, indem die Künstlerin Wahrnehmungsperspektiven verschiebt.
Konzept, Performance, Regie: Ayumi Paul
Kamera und Produktion: Victoria Clay
Kamera und Produktionsassistenz: José González
Jeannette Schnüttgens Arbeiten bewegen sich zwischen Zeichnung, Skulptur und Installation. Als Ausgangspunkt dient ihr häufig ein konkreter Gedanke, eine Erinnerung, eine erlebte/empfundene Atmosphäre oder etwas tatsächlich Gesehenes, das sie dann künstlerisch (weiter-)verarbeitet. Typisch, vor allem für die plastischen Arbeiten, ist auch die Entwicklung eines Prototyps, der dann, ähnlich einem Algorithmus, in verschiedenen Varianten realisiert wird.
Für das Künstlerhaus Dortmund wird sie eine neue ortsspezifische Arbeit entwickeln, die sich mit immateriellen und ephemeren Phänomenen auseinandersetzt. Das Ambivalente, das Unfassbare, das Uneindeutige, das Dazwischen und Schwellenzustände sind für sie dabei von besonderem Interesse.
Bettina Scholz‘ Skizzenbücher sind dicht gefüllt mit oft schnell wirkenden Zeichnungen, die sich mit Kohle, Pastellkreide oder Bleistift auf das Papier ergießen. Die Künstlerin zeichnet jeden Morgen, meist schon vor Sonnenaufgang gegen 5 Uhr – in der Übergangsphase zwischen Schlafen und Wachen, in der das langsam erwachende Bewusstsein Vergangenes mit Zukünftigem auslotet und den neuen Tag gestaltet. Aber auch in ihrer sonstigen Arbeit im Atelier oder auf Reisen füllen sich die Bücher, in denen auf engstem Raum Beiläufiges, genauso Platz findet, wie groß gedachte, ausschweifende Ideen. Die Künstlerin spielt mit ungebremster stilistischer Vielfalt, die es ihr ermöglicht in unterschiedliche Rollen und (künstlerische) Identitäten zu schlüpfen, ohne sich festzulegen zu müssen.
Im Dialog mit dem Werkstoff Papier arbeitet die Künstlerin Jessica Maria Toliver oftmals mit vorgefundenen Strukturen und Umgebungen, die sie teils verändert und manipuliert. Hieraus entstehen Objekte und Installationen, die diese ortsspezifischen Parameter sichtbar mit einschließen. Dabei geht Toliver gerne konzeptionell vor und lässt sich im Prozess von der jeweiligen Situation leiten. Auf Basis von nur wenigen, ausgewählten Materialien geht sie Fragen nach der Gegensätzlichkeit von grober, archaischer Gestalt und filigraner Zerbrechlichkeit nach, wobei sie hierbei die Authentizität und Reaktivität ihres Materials interessiert. Der Prozess des Entstehens, der auch das prozessuale Denken mit einschließt, ist für die Künstlerin ebenso bedeutsam wie das realisierte, physische Werk.In ihrer Auseinandersetzung mit Papier erlebt sie den Werkstoff als starke, durchlässige, fragile, aufnehmende, fordernde und überraschende Persönlichkeit - als ein atmendes Wesen, das mit ihr in Kommunikation tritt und dem sie nicht müde wird zuzusehen,zuzuhören, das sie einlädt, es bildnerisch zu formen.
In ihrer Arbeit untersucht Jorinde Voigt die inneren Prozesse der Wahrnehmung in Bezug auf verschiedene Aspekte und Themen wie Affekte und Emotionen, Vorstellungskraft, Erinnerung, sinnliche Erfahrungen, natürliche und kulturelle Phänomene, wissenschaftliche Daten, zwischenmenschliche Handlungen und Beziehungen. Seit ihren frühen Arbeiten verfolgt Jorinde Voigt einen analytischen Ansatz, wobei sie ihre Themen als dynamische Situationen versteht, deren Zustand sich ständig verändert. Im Rahmen ihres konzeptuellen Ansatzes hat Voigt in den letzten Jahren ihre Arbeit über das Medium der Zeichnung hinaus erweitert, indem sie malerische Elemente, Collagen, Skulpturen, Design und Musik einbezog und mit diesen experimentierte.
„[...] Thomas Zitzwitz‘ Bilder haben ein Leuchten und eine Leichtigkeit, die uns auffordert, die Offenheit, der wir in unserem Tun ausgesetzt sind, freudig zu begrüßen und mit leichter Hand zu gestalten. Führen wir unser Leben wie ein Maler, der eine Sprühpistole hält! Und lassen wir uns von den Überraschungen, die es für uns bereithält, nicht schrecken. Wäre die Wirklichkeit nicht dafür offen, könnten wir gar nicht handeln. An den Zufall ausgeliefert zu sein, ist der Preis der Freiheit. Die Freiheit aber ist schön, wenn wir sie leichtnehmen [...]“ (Auszug aus: Björn Vedder, Die Vögel des Zufalls, Galerie Norbert Arns, 2022)
8. Februar - 16. März 2025
Preview / Kuratorinführung
Freitag, den 7. Februar, 17.30 Uhr
Eröffnung
Freitag, den 7. Februar, 19 Uhr
Opening Act:
DJ Set A2iCE & BO3
Künstler:innen:
Isabella Fürnkäs
Andrea Knobloch
Ayumi Paul
Jeannette Schnüttgen
Bettina Scholz
Jessica Maria Toliver
Jorinde Voigt
Thomas Zitzwitz
Kuratorin:
Adriane Wachholz
Kuratorinführung
Sonntag, den 9. Februar, 17 Uhr
Finissage
Kunst_Körper_Kunst – Eine meditative Erfahrung zur Ausstellung mit Suzanne Josek
Sonntag, den 16. März, 17 Uhr
Parallel im Laboratorium
Adriane Wachholz – One Moment In Time
Freundlich unterstützt durch:
Kulturbüro Dortmund