Anlässlich des 40jährigen Bestehens des Künstlerhauses lädt die aktuelle Ateliergemeinschaft Mitglieder aus der bewegten Geschichte des Hauses ein, aktuelle Arbeiten zu präsentieren. Als Fortsetzung der beliebten Reihe mit Künstler:innen aus Stadt und Region präsentiert GO:40 einen so lebhaften wie umfangreichen Überblick über aktuelle Produktionen, die irgendwann einmal im Haus ihren Ursprung genommen haben oder dort weiterentwickelt wurden. Die zwanzig eingeladenen Künstlerinnen und Künstler spannen geografisch von Amsterdam über Dortmund und NRW, Kiel, Leipzig, Berlin, dem schweizerischen Biel bis nach Tokio ein ebenso großes Netz, wie in ihren verwendeten Sujets und Medien. Von Zeichnungen und Malerei, zu Fotografie und Film bis zu Installation reicht das Spektrum der präsentierten Arbeiten.
Das Jubiläum bietet die Möglichkeit die neue Geschäftsführung, die am 1.4.2023 ihr Amt antritt, mit der Geschichte des Hauses vertraut zu machen: Die Geschichte des Künstlerhauses ist eine von Persönlichkeiten, die neben ihrem eigenen Werk stets für das Programm des Hauses als Kurator:innen aktiv waren. Wenn diese nun mit eigenen Arbeiten in den Blick rücken, so wird deutlich, dass die Konstruktion des künstlerkuratierten Ausstellungs- und Residency-Hauses eine Erfolgsgeschichte von Künstler:innen ist, die entgegen einem verbreiteten Vorurteil kooperiert haben und sich für das Gemeinwohl engagiert haben. Dies hat die Stadt Dortmund durch eine kontinuierliche Förderung unterstützt. Das Jubiläum ist ein dankbarer Blick zurück und ebenso ein Ausblick auf weitere Jahre voller Programm, voller Überraschungen und Entdeckungen.

Eröffnung

Tomomi Adachi

Tomomi Adachi ist ein Performer/Komponist, Klangpoet, Instrumentenbauer und bildender Künstler. Er ist für seinen vielseitigen Stil bekannt und hat seine eigenen Sprach- und Elektronikstücke, Klangpoesie, improvisierte Musik und zeitgenössische Musik aufgeführt. Außerdem präsentierte er ortsspezifische Kompositionen, Kompositionen für klassische Ensembles und Chorstücke für ungeübte Musiker in der ganzen Welt, darunter Tate Modern, Maerzmusik, Museum Hamburger Bahnhof, Centre Pompidou, Poesiefestival Berlin und Walker Art Center.
Er hat mit einem breiten Spektrum an Materialien gearbeitet: selbstgebaute physische Schnittstellen und Instrumente, künstliche Intelligenz, Gehirnwellen, künstliche Satelliten, Twitter-Texte, Frakturen und sogar paranormale Phänomene. Im Jahr 2012 war er Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Er erhielt den Award of Distinction der Ars Electronica 2019. Er komponierte die weltweit erste Oper mit einem von einer künstlichen Intelligenz geschriebenen Libretto, für die er 2022 den Keizo-Sai-Preis erhielt.

www.adachitomomi.com

Christoph Bangert

Wie stark lässt sich Natur abstrahieren? Kann man Naturhaftigkeit ohne Gegenstand erzielen? Sollte man dann nach Möglichkeit subjektive Entscheidungen vermeiden? Thematisiert man Gesetzmäßigkeit, oder zelebriert man Unübersichtlichkeit? Überlässt man die Farbe der Gravitation, oder entwickelt man Strategien für zirkulare Prozesse? Meine Lieblingsantwort auf all diese Fragen wäre wohl ,„Sowohl als auch“ und: „Eins nach dem anderen“. Denn schließlich setze ich die verschiedenen bildnerischen Elemente nicht kompositorisch nebeneinander, sondern schichte sie sukzessiv in Ebenen übereinander. Jede Ebene besteht jeweils aus einem Arbeitsschritt, der sich im Prinzip all-over auf das ganze Format auswirkt - mal als monochrome Lasur, mal als Netz informeller Fließspuren, und immer wieder als präzise konstruierte Endlosstrahlen (Loops).
In den Gemälden bis 2016 erzeugte eine Vielzahl von nebeneinander gesetzten Nuancen eine Unschärfe, mit deren Hilfe die zuvor exakt kalkulierten Flächen entgrenzt wurden und das Computerhafte in eine anti-subjektive Art der pinselbasierten Malerei überführt wurde. In den aktuellen Werken betont eine schillernde Oberfläche die darunter verborgenen Geschehnisse. Die Abfolge von Hypothesen und Ungewissheiten akkumulieren sich reliefartig, sodass die Sichtbarkeit der abschließend darüber gesetzten Linien stark von Licht- und Betrachtungsrichtung abhängt. Wesentlich ist, was ephemer, vorübergehend im Bild aufscheint. Übersehbarkeit, Loop und Unschärfe dienen der Darstellung metaphysischer Experimente, was - über die Natur hinausgehend - ein Universum von Unbegrifflichkeiten sein könnte.

Patrick Borchers

"Borchers Zeichnungen sind Bilder fragmentierter Wirklichkeitserfahrung, die sich in einem einfachen zentralperspektivischen Narrativ nicht mehr vermitteln lässt. Wir stehen vor dem Bild, wie in einem japanischen Zen-Garten und sind nicht in der Lage, die Totalität der Komposition, die genaue Anzahl der Steine auf dem Kiesbett zu erfassen, wo auch immer wir stehen, das Gesamtbild ist nicht komplett." (Jan-Philipp Fruehsorge)
Patrick Borchers ist Zeichner und Videokünstler. Er lebt und arbeitet in Hagen und Dortmund. Nach einem Kunst- und Sonderpädagogikstudium an der Universität Dortmund besuchte er die Klasse Timm Ulrichs an der Kunstakademie Münster. Seine Werke wurden in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt, beispielsweise 2008 in Kyoto und Osaka (JP), 2011 im OK Offenes Kulturhaus OÖ in Linz, 2014 in zwei Ausstellungen im Museum Folkwang Essen, 2017 im Neuen Kunstverein Gießen, 2019 im Osthaus Museum Hagen sowie 2021 unter anderem im Kunstverein Trier Junge Kunst e.V. und in der Meno Parkas Gallery, Kaunas (LT). 2022 realisierte Borchers etwa eine raumgreifende, temporäre Zeichnung im Olympiapark München und zeigte großformatige Zeichnungen im Verein für Original-Radierung München e.V..

www.patrickborchers.de

Harald Busch

Bei den Zeichnungen handelt es sich zumeist um Aquarelle auf A4 Papier, die seit den 80er Jahren entstehen. Seit 1996 werden die Zeichnungen in Blöcken fotografiert und als c-prints ausgedruckt. Für die jeweilige Ausstellungssituation werden diese dann zu jeweils neuen Einheiten unterschiedlicher Form und Größe zusammengestellt und mit Tapetenkleister an Wände, Fensterscheiben, durch Nischen, um Ecken etc. geklebt.

www.instagram.com/buscharald

Julian Faulhaber

"In seiner ‚‚Arbeit „Prototypes“ gibt Julian Faulhaber erneut seiner Faszination für das Material LDPE Raum. Seine Fotografien versammeln Gegenstände aus unserer alltäglichen Lebensumwelt, die aus Polyethylen bestehen. Faulhaber stellt sie frontal oder leicht in die Tiefe gedreht vor Augen, in der jeweils gleichen Bildgröße bei durchaus verschieden großen Gegenständen. Über den tatsächlichen Maßstab gibt die Legende, die jeder der Tafeln beigegeben ist, nur unzureichend Aufschluss: dort werden neben der Bezeichnung des Gegenstandes seine Ausmaße und sein Gewicht angegeben – allerdings ohne Maßeinheiten wie Zentimeter oder Gramm. Faulhaber untersucht überwiegend weiße Gegenstände mit der Schwarzweißfotografie.
Fast könnte man dabei an eine forschende Unternehmung denken. Aber hier wird eine wissenschaftliche Aufarbeitung von Gegenstand und Beschreibung lediglich zitiert, denn Faulhaber geht es um die Funktion von Bildern im Modus des Beschreibens. Den Gegenständen im Bildraum immer den gleichen Stellenwert zuzumessen, heißt, sie nur untereinander vergleichbar zu machen. Eine Vergleichbarkeit der Bildwelt mit irgendetwas außerhalb ihrer selbst wird so negiert.
Faulhabers Kamera entrückt die Gegenstände in eine eigene Sphäre, gibt ihnen Gleichwertigkeit, Raum und Ausdehnung, lässt ihnen Gestalt und Form. So rückt in den Blick, wie Kunststoffe unsere Welt verändert haben – sie haben ihr künstliche Gegenstände und Anmutungen hinzugefügt, skulpturale Einheiten, die für sich attraktiv sind, in der Versammlung bei Faulhaber aber als eine imaginierte Dokumentation auftreten. Die Darstellung denunziert sich selbst, verrät jede Objektivität und stellt uns nur vor neue Rätsel. Die scheinbare Forschung an den Gegenständen erweist sich vielmehr als Abhandlung über das Wesen der Fotografie zwischen Konstruktion und Repräsentation.
Julian Faulhaber nutzt seine fotografische Arbeit, um Essentielles zu behandeln. Dabei sind die Ergebnisse auf überraschende Weise ästhetisch faszinierend und dies in einem jeweils dem Thema entlehnten und zugleich angepassten Gewand. In früheren Arbeiten hat sich Faulhaber mit der Essenz von Räumen, mit der von Farben und in seiner Serie „Catalogue“ mit der Essenz der Zeit befasst. Die vorliegende Serie schließlich adressiert die Essenz der Dinge im Verhältnis zu ihrem Bild: „Prototypes“." (Dr. Peter Schmieder)

www.julian-faulhaber.com

Nina Glockner

Mit der Videoreihe „Portrait of a Collective Body“ hinterfragt Künstlerin Nina Glockner Faktoren, die den menschlichen Körper potentiell determinieren; wie er sich zu dem ihn umgebenden Raum bzw. der Architektur verhält; wie er mit anderen Körpern interagiert und wie externe Strukturen interne Muster beeinflussen oder gar erzeugen. In welcher Hinsicht sind diese Einflüsse sicht- bzw. erkennbar?
Wenn ein singulärer Körper seine Stimme erhebt, werden wir uns seiner persönlichen und öffentlichen Erzählung bewusst. Das Herstellen intimer Verbindungen und die anschließende Vermittlung der Identität eines Individuums hilft dabei, Geschichten von vorstellbaren Leben zu erzählen, in denen das Subjektive als kollektiv erkennbare Erzählung in den öffentlichen Diskurs eintreten kann.

www.ninaglockner.de

Antje Hassinger

"Für Antje Hassinger, die für ihre Malerei wie die alten Meister Pigmente und Leinöl mischt, ist Farbe nicht nur Kolorit, sondern stets auch Material, ein Bildmittel von hoher materieller Präsenz. Sie schafft auf ihren Bildträgern, im kleinen Format auf Karton oder Holz, im großen Format auf Leinwänden, reliefartige Impastoflächen, geradezu rhythmisch erscheinende Geflechte. Mit einer reduzierten Farbpalette schafft sie reizvolle Oberflächen, in die sie häufig gestisch-impulsive Lineaturen einbringt. Ihre abstrakte Formensprache zielt auf elementare Aussagen, die sich mit den Begriffen Erde, Licht, Materialität konkretisieren lassen. Es ist die bewusste Reduktion der malerischen Mittel, mit der Hassinger in ihren Bildern einen Ausdruck hoher formaler wie auch ästhetischer Qualität erreicht. Trotz ihrer freien Gestik bleibt ihr Werk streng abstrakt, ohne in dogmatischen Formalismen zu erstarren." (Marina Schuster / Auszug)

www.antjehassinger.de

Sybille Hassinger

"Sybille Hassinger zeigt uns eine hochgradig vielschichtige Farbraum-Welt, deren Elemente in ihrem komplex aufgeladenen wie heterogenen Wechselverhältnis zwischen geometrisch klarer Statik und dynamischer Bewegungsspur, zwischen Offenheit und Geschlossenheit eine rätselhafte Einheit ergeben, der wir – ganz wie im richtigen Leben/ und das macht ihre Qualität aus – nicht wirklich auf die Spur kommen können.
Um wie Hassinger Schritt für Schritt das Bild zu entwickeln, bis es schließlich eine funktionierende Einheit darstellt, ist mindestens zweierlei erforderlich: Einerseits eine große Erfahrung und Kenntnis der Farben und ihrer Eigenschaften, was nur zu erreichen ist durch zahllose experimentelle Versuche und den Mut zum Risiko auch des Scheiterns. Andererseits setzt das eine entwickelte Sensibilität für die nicht festlegbare ästhetische Dimension des Kunstwerkes voraus – eine Ästhetik, die gleichsam mit jedem Werk neu zu schaffen und zu befragen ist – oder eben wie bei Sybille Hassinger, die collage- oder montageartig Farbflächen und Formen in- und übereinander schichtet, um so eine Farbraum-Welt in der Fläche aufscheinen zu lassen." (Prof. Dr. Reinhold Happel)

www.sybillehassinger.de

Thomas Haubner

Haubner konfrontiert binäre Bildsysteme mit den traditionellen Methoden des analogen Buchdrucks. Dabei interessieren ihn besonders die über die sequentielle Anordnung von Information in Büchern hinausgehenden Querschnitte und übergreifenden informatorischen Mehrwerte. Den verschiedenen Rastern seiner Arbeiten fügt er im Print eine zusätzliche Dimension hinzu und erzeugt auf diese Weise ein Patt zwischen den Informationssystemen. In der drucktechnischen Umsetzung der Codierungen ergeben sich Objekte, die über ihre Erzeugungssysteme weit hinausweisen.

Francis Hunger

In einem endlosen Loop wird der Betrachter mit einer Reihe von Aussagen und Fragen konfrontiert, die durch ein möglicherweise intelligentes maschinelles Gegenüber formuliert werden. Strukturiert wird die Textanimation durch den sich immer gleich wiederholenden Satz »This ist the first sentence on the screen«, welcher jeweils neue Fragestellungen einleitet. Adressiert wird der Zusammenhang von Körperlichkeit und Denken, Erwartungen und Autorenschaft, sowie der Herstellung von Bedeutung. Diskussionen um Fragen von künstlich geschaffener Intelligenz und deren Intentionen spielten für die Entstehung ebenso eine Rolle. Auf formaler Ebene zeichnet sich die Animation durch einen ständig zwischen rot und violett changierenden, atmenden Hintergrund aus, vor dem jeweils einzelne Worte erscheinen, die sich zu Sätzen formen. Die Betrachter können sich Zeit nehmen und auf den langsamen Rhythmus der Textfolgen einlassen. Die animierten Worte erinnern in Form und Struktur an Michel Snows So is this von 1982, nehmen jedoch einen anderen, aktualisierten Verlauf der Argumentation.

www.irmielin.org

Tina Jacobs

Glas ist der Werkstoff, mit dem Tina Jacobs arbeitet. Glas ist transparent - es fasziniert die Künstlerin nachhaltig, wie Licht durch Glas scheint. Dabei wird Licht als Kraftquelle, als lebensspendende Energie erfahren. Licht leuchtet aus, Licht beleuchtet uns. Licht hat, außer mit Emotionen auch mit Wahrheit zu tun. In der Gestaltung von Einzelstücken, aber auch Ensembles oder Installationen lässt Tina Jacobs eine lebendige Formensprache aufleuchten. Licht gestaltet Räume, Licht ist überall anders, Licht bestimmt den Rhythmus - macht uns froh und manchmal traurig. Lässt sich Licht locken? Heute mehr Licht als Schatten.

www.glasstuecke.de

Sonja Kuprat

In der umfangreichen Werkreihe der "Wolkenbilder" von Sonja Kuprat tauchen die Bildmotive aus dem Dunklen heraus an die Bildoberfläche. Sichtbar werden Himmmelskonstellationen, kosmische Phänomene, Horizonte und immer wieder neue Gebilde von wolkigen Formationen, die manchmal noch an Landschafts-‐ und Naturdarstellungen denken lassen.
"Der Wechsel von abstrakter, rein gestischer Technik zu realistisch herausgearbeiteten Elementen lässt eine Illusion von Wirklichkeit aufleben. Eine vermeintliche Wirklichkeit, die wie in einem Traum, vorhanden und zugleich unwirklich ist. Umgeben von Dunkelheit, isoliert von allen Zusammenhängen wird diese Wirklichkeit fantastisch, abgelöst im Leeren schwebend. Eine Vorstellung von Unendlichkeit, von unbekannten Räumen, vom Blick ins Jenseits, erzeugt allein durch Malerei, das ist in diesen Bildern zu spüren." (Christiane Grathwohl-‐Scheffel)

www.sonjakuprat.de

Paola Manzur

Urbane Landschaften, Stadtraum, unbestimmte Orte sind die fotografischen Grundlagen der Serie „Paisajes“. Das Objekt „Fenster“, als eine Einrahmung des Blickes, ist im erweiterten Sinne zu verstehen und wird als Metapher benutzt. Die Schnittstelle und das Wechselspiel zwischen Innen- und Außenraum ermöglichen eine Visualität, die nicht linear und chronologisch erfolgt. Durch die Überlagerungen von Bildebenen sowie den Kontrast von Materialität und der zeichnerischen Darstellung wird in der Bilderserie „Paisajes“ eine Ambivalenz zwischen dem Erkennbaren und dem Undefinierten geschaffen.

www.manzur.de

Rona Rangsch

Im Englischen unterscheiden sich die entgegengesetzten Positionen des Begriffspaares “colonizer/colonized” lediglich durch den letzten Buchstaben. Das Zusammenführen der beiden Buchstaben “r” und “d” visualisiert die Beobachtung, dass die Belange von Kolonisatoren und Kolonisierten überlappen und notwendigerweise miteinander verflochten sind (Edward Said, Culture and Imperialism, 1994). Andere Aktiv/Passiv-Paare, für die sowohl die minimale sprachliche Unterscheidung im Englischen also auch Saids Argument gelten, sind “exploiter/exploited”, “offender/offended” und auch das vermeintlich harmlosere “lover/loved”.
Die Arbeit möchte für Kontexte sensibilisieren, die durch Aktiv/Passiv-Paare definiert sind und hinterfragt die Möglichkeit von eindeutiger Kategorisierung im allgemeinen und der von Gegesätzen im besonderen. Damit wirbt sie gleichzeitig für Konzepte wie Ambivalenz, Hybridität und sog. “undecidables”, die für eine Umgehung klarer Trennungen und Abgrenzungen stehen. Die grafischen Zeichen sind durch eine digitale Überlagerung der Buchstaben “r” und “d” in verschiedenen Schrifttypen entstanden. Ihre Projektion auf einen Globus und einen Quilt sind Metaphern für die Durchdringung globaler wie lokaler Kontexte, öffentlicher wie häuslicher Sphären mit “r/d-Angelegenheiten”. Die Verzerrung und Textur der projizierten Zeichen visualisiert die Abhängigkeit der Erscheinungsformen universalisierter r/d-Konzepte von den orts- und zeitspezifischen Gegebenheiten.

www.rangsch.de

Gerd Schmedes

Die Fotografie ist so alltäglich geworden, dass heutzutage eigentlich Jede/r dazu in der Lage zu sein scheint ein „tolles” Foto zu machen. Die Kameras fotografieren quasi von selbst - künstliche Intelligenz perfektioniert so ziemlich alle Schritte der „Qualitätsbildung” und auch Fantasielosigkeit lässt sich durch die entsprechenden Algorithmen prima substituieren. Benötigt man nun also noch so etwas Antiquiertes wie eine/n KünstlerIn von „Gottes Gnaden”? Ich glaube nicht. Vor Allem gibt es keinen Generalauftrag … z.B. für „die Menschheit” … oder die „KunstanbeterInnen” … es reicht „vor der eigenen Haustür zu fegen” und aufmerksam zu sein für die Formen, Dinge und das Leben, das einen umgibt. Die Kamera ist dabei mein Werkzeug um die visuellen aber auch philosophischen Begebenheiten zu notieren, wie in einem Tagebuch. Ich kann jederzeit darin zurückblättern - Seiten herausreißen - überdenken - übermalen. Mit der Zeit verdichten sich einige Einträge zu Schwerpunkten - andere bleiben Einzelstücke. Alle gehören zu meinem Kosmos, den ich den BetrachterInnen zur eigenen Interpretation zur Verfügung stellen möchte. Es bedarf hierbei keiner Anleitung sondern nur der Aufforderung zum genaueren Betrachten des Einzelbildes als auch des Gesamtbildes - grade so wie bei allen Dingen in Alltag, Gesellschaft und Politik!  

www.unorte.de

An Seebach

In Zeiten von Corona eröffnete An Seebach am Standort des historischen Jamlitzer Gasthauses ihre ganz eigene Form der Außengastronomie. Überreste der ehemaligen Gaststätte wurden volkstümlich reanimiert: Den historischen Abraum transformierte sie mit Gemüse- und Kräuteranbau in ein Hügelbeet, die Baumstele im Garten bekam wieder eine Krone – in Anlehnung an die Spreewälder Tracht. An Seebach bezeichnet ihre künstlerische Strategie als ortsanaloge Handlung. Die Künstlerin nähert sich behutsam dem jeweiligen Ausstellungsort – selten ein Kunst-, meist ein alltäglicher Raum. Durch die künstlerische Intervention wird er für die Betrachter strukturell lesbar und seine erzählerische Dimension aufgeschlossen.

Der Ausstellungsbeitrag von An Seebach wird gefördert durch ein NEUSTARTplus-Stipendium der Stiftung Kunstfonds / NEUSTART KULTUR der BKM. 

www.an-seebach.de

www.brandung-ev.de/urban

Hildegard Skowasch

Seltsame Wesen und Dinge betreten die Bühne, besiedeln die Wände. Und wie auf einer Bühne sind uns die Figuren ein Gegenüber, nah und fern, fremd und vertraut. Wie empfindliche Exponenten der Mitzeit drücken sie etwas aus, was (noch) im Unbewussten steckt. Was wir sehen, bezieht sich - auch - auf das Gestaltlose, auf das Off jeder Darstellung. Hildegard Skowaschs Figuren werden als ein von irgendwo her ins Bild-Kommendes in Szene gesetzt und zu emotionaler Fülle gebracht, die auch den Augenblick des Umschlags, den Übertritt über eine Schwelle einfängt. Die Einbildungskraft spinnt die Szenen, die Begegnungen, die vielstimmige, reiche Konversation, die unter den Gebilden herrscht, weiter. Im Sehen geschieht ein Andersehen. In diesem Schauraum wird immer auch auf einen anderen, nicht sichtbaren Raum angespielt, aus dem die Figuren sich erst herauslösen, um durch ihren Eintritt ein mobilisierendes Ereignis in Szene zu setzen. Hier geht es um die Bildlichkeit selbst, um ihre entstaltende Phantasie, ihre Wildheit und Freiheit. Souverän verarbeitet Hildegard Skowasch unterschiedliche Einflüsse der Kunstgeschichte. Die Pop Art, der beseelte Minimalismus, Art brut und ein subversiver Surrealismus gehen hier unvorhersehbare Liaisonen ein. Hier nähert sich Hohes und Niedriges, Großes und Nichtiges, Weises und Naives aneinander an, schließen sich zusammen, verloben und verbinden sich. (Dorothée Bauerle-Willert, Auszug aus Katalogtext IRRGAST in Martha ́s Garden, BWA Galeria Sztuki in Olsztyn, Polen 2022)

www.hildegardskowasch.de

Jürgen Spiler

Die selbstgezogene Tomate entpuppt sich als sehr fotogen und ambivalent in ihrer visuellen Bedeutungskraft. Gesteigert durch die Transformation von der Fotografie zur Serigrafie, wird
dieses Objekt zu einem Wesen aus dem Mikrokosmos. Die Tomate, eigentlich eine Pflanze aus dem Mesokosmos, oszilliert plötzlich zwischen Mikro- und Makrokosmos. Knoblauch und Möhre bewegen sich in den gleichen Sphären und verwirren unsere Wahrnehmung.

www.spiler.de

Cornelia Suhan

„Stumme Zeugen“, eine repräsentative Bestandsaufnahme, ist eine fotografische Arbeit zum Thema sexualisierte Kriegsgewalt in Bosnien und Herzegowina. Im Fokus der Arbeit stehen Gebäude, in denen Kriegsverbrechen/Vergewaltigungen an Frauen aller in Bosnien und Herzegowina lebenden Ethnien verübt wurden. Es geht um Spurensuche und Bestandsaufnahme durch das Fotografieren der Gebäude, Orte von Kriegsvergewaltigung, von denen eine repräsentative Zahl gezeigt werden soll. Die Gebäude, in denen die Verbrechen begangen wurden, liegen in allen Regionen des Staates verteilt. Sie tragen die Geschichte in sich und wurden zu Orten von Kriegsverbrechen, registriert in den Gerichtsunterlagen von ICTY und bosnischen Gerichten. Viele Gebäude sehen frisch aus, sind neu angemalt, renoviert. Alle Spuren der Vergangenheit sozusagen wegrenoviert - während der Konflikt weiter brodelt. Einige stehen leer, gebrandmarkt durch das Geschehene, ohne Hinweise auf die dort begangenen Verbrechen. Durch die fotografische Fokussierung entstehen neue Räume zur Reflektion über die Unsichtbarkeit und gleichzeitige Existenz von begangenen Kriegsverbrechen.

www.suhan-fotografie.com

Helga Weihs

Die Skulptur "4kant 2023" definiert auf einer Grundfläche von 200 cm x 160 cm einen nach oben hin offenen Raum in Form eines Quaders, dessen vier Seitenflächen aus Holzlagen geölter dunkler Thermoesche tektonisch gefügt und parallel geschichtet sind. Durch unterschiedliche Längen und Höhen der Hölzer entstehen Durchbrüche, die in Größe, Form und Lage variieren.
Die Arbeit thematisiert die Ambivalenz zwischen geschlossener und offener Form. Aus der Distanz betrachtet, dominiert der Körper mit seiner massiven, statischen Präsenz den Raum. In der Annäherung und im Umgehen der Skulptur erscheint die dunkle Strenge der Flächen durch die Öffnungen gebrochen. Sie geben den Blick in das Innere partiell frei und entfalten – je nach Perspektive – in der Betrachtung ein Wechselspiel von Hell und Dunkel, von Licht und Schatten, wobei die Öffnungen im Innenraum das Licht in unterschiedliche geometrische Formen einfassen.

www.helgaweihs.de

Anke Zürn

Anke Zürn untersucht die Materialien der Kunst, deren Geschichten und mögliche Bedeutungen in unterschiedlichen Kontexten. Sie beschäftigt sich mit Themen wie emotionale Werte von Materialien, Rohstoffen und Rohstoffvorkommen. Zurzeit arbeitet sie an Projekten zum Thema Indigo, zu historischen Lackfarbstoffen, pflanzenbasierten historischen Tuschen und Tinten, wie beispielsweise die Eisengallustinte. (...) Obwohl von wissenschaftlichen Illustrationen und historischen Fotografien inspiriert, stellen Zürns Serien keine konkreten existierenden Spezies dar. Sie interessiert sich für den Formentstehungsprozess selbst, die Morphogenese an sich in Abhängigkeit der vorgegebenen Materialien und hinterfragt dabei Wiederholbarkeit, Reproduzierbarkeit, Replikation und Einzigartigkeit. In Paris entstanden mehrere Serien mit dem übergreifenden Arbeitstitel ON GROWTH AND FORM. Durch den Titel stellt sie ihre Arbeit direkt in Bezug zur gleichnamigen Abhandlung des Mathematikers und Biologen D'Arcy Wentworth Thompson (1860 - 1948), einer Abhandlung zum Einfluss von Mathematik und Physik für Form und Struktur von Lebewesen. Die Untersuchung von physikalischen und chemischen Eigenschaften der wasserbasierten Malmaterialien hingegen sind indirekte Referenz an Friedlieb Ferdinand Runge (1794 - 1867).

www.ankezuern.com